20. Februar 1953 Clemens Wilmenrod bittet erstmals zu Tisch
Die Idee: Eine Fernsehküche. Man nehme einen bislang erfolglosen Schauspieler, ein paar ausgefallene Rezepte und voilà: die Kochshow ist erfunden. Autorin: Regina Fanderl
20. Februar
Montag, 20. Februar 2017
Autor(in): Regina Fanderl
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Was waren das denn für Propheten? Nur acht Wochen nach dem offiziellen Sendestart des öffentlichen Fernsehens ließen die Verantwortlichen des Nordwestdeutschen Rundfunks, kurz NWDR, einen Fernsehkoch den Kochlöffel schwingen! So als ob sie ahnten, dass das Brutzeln, Schnippeln oder Rühren vor der Kamera im nächsten Jahrtausend der absolute Renner sein würde!
“Liebe Brüder und Schwestern in Lukullus“
Am 20. Februar 1953 kocht Clemens Wilmenrod in einem Hamburger Bunker sein erstes Fernseh-Menü. Bei der Premiere von "Bitte in zehn Minuten zu Tisch" kredenzt der smarte Herr mit dem dunklen Schnauzbart seinem Publikum ein "Italienisches Omelette". Gerade das richtige für ein Volk, das acht Jahre nach den Engpässen des Krieges von exotischen Gerichten und adriatischen Sandstränden träumt. Bis 1964, fast 200 Mal, zaubert Wilmenrod Gerichte wie: "Spaghetti nach Art der schwarzen Carola", "Päpstliches Huhn", "Ananasscheibe Casablanca" oder das beliebte „Torero-Schnittchen“ - eine Art strammer Max, bloß mit Leberwurst. Seine Zuschauer begrüßt der geniale Dampfplauderer stets mit den Worten "Ihr lieben, goldigen Menschen" oder “Liebe Brüder und Schwestern in Lukullus“.
Dabei ist Clemens Wilmenrod gar kein Koch. Und heißt mit richtigen Namen auch nicht Wilmenrod, sondern Hahn. Sein gelernter Beruf ist Schauspieler. Doch die Karriere läuft nach dem Krieg nicht mehr rund. Da kommt ihm, inzwischen Ehemann einer Metzgerstochter, die Fernsehkocherei äußerst gelegen. Bald ist er bekannt wie ein bunter Hund und seine Sendung ein echter Straßenfeger mit Breitenwirkung. Stellt der "Bundesfeinschmecker" das "Tessiner Fischschnitzel vom Kabeljau" vor, wird am nächsten Tag der Kabeljau knapp.
Auf seine Kappe gehen angeblich die Popularität des Rumtopfs und der Brauch, an Weihnachten einen Truthahn als Festtagsbraten zu servieren.
Was bleibt ist der Toast Hawaii
So könnte es gut und gerne noch lange weitergehen. Doch Wilmenrod setzt seine Popularität gewinnbringend ein. Lobt vor laufender Kamera Küchengeräte oder Scheibenkäse mit Namen. Das ist ganz eindeutig Schleichwerbung und bedeutet das Aus für den Liebling aller Hausfrauen. Seine Sendung wird 1964 eingestellt. Drei Jahre später nimmt sich Wilmenrod, 61jährig, das Leben und gerät bald in Vergessenheit.
Doch mit einer Erfindung macht er sich unsterblich: mit dem Toast Hawaii. Original nur mit der Ananasscheibe aus der Dose und der gefärbten und aromatisierten Cocktailkirsche oben drauf!