20. September 1958 Tommy Steele als erster Rock'n'Roll-Musiker bei Madame Tussauds aufgestellt
Er wollte wie Elvis werden, aber dann blieb Tommy, nun ja: Tommy halt. Zumindest eines aber hat er geschafft: Noch vor Elvis zog Tommy Steele als erster Rock'n'Roll-Musiker bei Madame Tussauds ein. Autor: Johannes Roßteuscher
20. September
Dienstag, 20. September 2016
Autor(in): Johannes Roßteuscher
Sprecher(in): Caroline Ebner
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Es gibt ja Gitarristen, die bisweilen ihre Gitarre anzünden. Jimmy Hendrix war so einer. Es gibt aber auch Gitarristen, denen würde so etwas im Traum nicht einfallen. Bei denen sitzt dann ein Feuerwehrmann samt Eimer Wasser in der ersten Reihe - für den Fall, dass die Gitarre von selbst zu brennen anfängt.
Klingt nach sehr feurigem Gitarrenspiel - wer könnte gemeint sein? Paco de Lucia? Jimmy Page? Eric Clapton? Die richtige Antwort: Tommy Steele.
Feuriger Saitenanschlag?
Man muss leider sagen, Tommy Steele, den Sie wahrscheinlich nicht kennen, hat nicht wirklich feurig Gitarre gespielt. Ganz normal eher, vielleicht ein bisschen bieder.
Aber Tommy Steele, ein damals 19-jähriger Ex-Seemann, war der erste, der 1956 in jenem Londoner Theater mit Stromgitarre auftreten wollte. Und weil die Chefs befürchteten, dass so ein Instrument mit Kabel dran womöglich mitten in der Show in Flammen aufgehen könnte - riefen sie erstmal die Feuerwehr.
Tommy Steele, jedenfalls, der 19-jährige Ex-Seemann, war nicht nur der erste, der im Theater mit feuergefährlicher Gitarre auftrat; Tommy Steele war der erste, der überhaupt auf einer englischen Bühne eine Rock-n-Roll-Nummer sang. Und das verhalf ihm zu einer heute kaum mehr vorstellbaren Blitzkarriere. Zitat Tommy Steele:
„Es war das erste Mal, dass man Rock-n-Roll in Großbritannien vorgesetzt bekam. Und weil es noch keiner gesehen hatte, konnte man auch keine Fehler machen.“
Einfach mal abgerockt
In der Tat. Mit lustiger blonder Haartolle, ein paar Hüftwacklern und Dauerlächeln hatte Tommy Steele viel mehr vom Lieblings-Schwiegersohn als vom echten Rock´n´Roller. Sein Aufstieg verlief nichtsdestoweniger kometenhaft: Tommy singt in einem Pub in Soho "Blue Suede Shoes", ein Talentscout kommt vorbei, schleift ihn zur Plattenfirma - am nächsten Tag nimmt er dort die erste Single auf:
"Rock with the Caveman", ein Lied so brav wie Tommys Lächeln. Ergebnis: Platz 13 der britischen Charts. Er legt ein paar Nummern nach, die dritte Single schafft es auf Platz eins: Das zugegebenermaßen saucool vernuschelte "Singing the Blues". Tommy Steele gilt jetzt als englische Antwort auf Elvis Presley und Großbritannien hat einen Rock-n-Roll-Star. Über den sogleich ein Film ins Kino kommt, mit ihm selbst in der Titelrolle.
Am 20. September 1958, da ist Tommy Steele noch keine 22, bekommt er als erster Rock´n´Roll-Musiker überhaupt eine Wachsfigur bei Madame Tussaud. Und sieht damit seine Karriere als vollendet an: mit 24 verabschiedet er sich vom Rock’n‘Roll und entdeckt seine wahre Berufung: das Musical. Gemeine Menschen sagen: das seichte Musical.
Die nächsten Jahrzehnte singt und lächelt sich Tommy Steele durch zahllose Hauptrollen, wird Doktor Doolittle und Ebenezer Scrooge, tanzt sogar mit Gene Kelly und Fred Astaire. Statt der englischen Antwort auf Elvis Presley - die er nie war - ist er jetzt die englische Antwort auf Peter Alexander - rund sechzig Jahre lang. Vielleicht liegt das am Rock‘n‘Roll-Leben, das er nie geführt hat. Zitat: "Einmal hat mich jemand auf einer Party überredet, eine Cola mit Aspirin zu trinken. Der Effekt war allerdings null." Man nimmt ihm die Geschichte sofort ab.