Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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25. September 1742 Ludwig XV. regelt das Briefgeheimnis

Die Neugier des Menschen ist größer als sein Anstand, deshalb erließ Ludwig XV. in Frankreich 1742 eine Verordnung, nach der Postbedienstete mit dem Tod bestraft wurden, wenn sie Briefe unbefugt öffneten. Autorin: Carola Zinner

Stand: 25.09.2015 | Archiv

25.09.1742: Ludwig XV. regelt das Briefgeheimnis

25 September

Freitag, 25. September 2015

Autor(in): Carola Zinner

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Die Gedanken sind frei, sagt der Volksmund, und damit hat er vermutlich Recht. Was man etwa über den König denkt, ist unerheblich. Wenn man es allerdings ausspricht, kann das ganz schön viel Ärger einbringen. Immerhin bleibt als kleines Hintertürchen noch die Behauptung, dass man das gar nicht sooo gesagt habe - die anderen hätten sich da wohl verhört…

Anders ist es, wenn das Ganze schriftlich vorliegt. Zum Beispiel in einem Brief: "Ich glaube nicht, dass ein böserer Teufel in der Welt kann gefunden werden als sie", schrieb Liselotte von der Pfalz anno 1689 über ihre große Widersacherin bei Hofe, die Maintenon. Und weiter: "Ich denke, dass sie das alte deutsche Sprichwort wohl wahr macht, nämlich: 'Wo der Teufel nicht hinkommen kann, da schickt er ein altes Weib hin.'"

Mächtige Postunternehmer

Das saß. Und sollte auch sitzen. Denn der Brief war zwar an Liselottes Tante in Deutschland gerichtet, die Autorin wusste jedoch ganz genau, dass die Zensoren am französischen Hof heimlich alle Briefe kontrollierten, die nach draußen gingen - also tat sie auf diesem Wege ihrem Schwager Ludwig XIV. unverblümt kund, was sie von seiner Geliebten hielt.

Direkt auf diesen Angriff zu reagieren, blieb dem König versagt. Denn schon damals galt es als ziemlich unfein, Post zu öffnen, die an eine andere Person gerichtet war. Da aber des Menschen Neugier größer ist als sein Sinn für Anstand, wurden trotzdem ständig Briefe abgefangen und heimlich gelesen; davor schützten auch keine Siegel, mit denen sie verschlossen waren. Deshalb gab beispielsweise Liselotte dieSchreiben, die nun wirklich nicht für die Augen des Königs bestimmt waren, zuverlässigen Freunden mit. Sie war sich also durchaus bewusst, dass die Wahrung des Briefgeheimnisses in erster Linie Sache der Überbringer ist.

Sie entschieden also, ob das geheim blieb, was geheim bleiben sollte, oder ob es diejenigen erfuhren, die den größten Nutzen davon hatten.

Aus dieser Machtposition ließ sich einiges herausschlagen: Als Postunternehmer konnte man im 18. Jahrhundert reich werden und hohe Positionen erlangen. Andererseits drohten auch einige Gefahren. In Frankreich nämlich galt seit dem 25. September des Jahres 1742 eine Verordnung von König Ludwig XV., nach der Postbeamte mit dem Tode bestraft wurden, wenn sie Pakete oder Briefe unbefugt geöffnet und etwas daraus unterschlagen hatten.

Verdächtige Subjekte

Später wandelte die französische Nationalversammlung dieses Gesetz um in ein allgemeines Briefgeheimnis, das sie sogar in die Grundrechte aufnahm. Schon bald war die Unverletzlichkeit von Briefen in allen Gesetzeswerken Europas verankert. Dessen ungeachtet ließ es sich allerdings kaum ein Machthaber nehmen, die Briefe verdächtiger Subjekte heimlich abzufangen und zu lesen. Besonders großen Eifer zeigte man dabei in der DDR; dort kümmerte sich die berüchtigte "Dienststelle 12", eine Abteilung des Ministeriums für Staatssicherheit, um Sendungen aus dem Westen oder dorthin - unter freundlicher Mithilfe der Post.

Heute ist zum Glück alles anders; die DDR gibt es nicht mehr, die Post auch nicht so richtig, und Briefe sind sowieso fast ausgestorben. Das einzige, was der Briefträger noch bringt, sind Rechnungen. Die neuesten Anweisungen aus der Chefetage aber, das Liebesgeständnis des jungen Mannes von nebenan oder der boshafte Satz über die neue Kollegin - das alles trudelt mittlerweile per SMS ein oder als E-Mail. Wie es da mit dem Briefgeheimnis steht,  wissen wir mittlerweile ja nur all zu gut. Aber das - ist eine andere Geschichte.


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