29. April 1937 Erfinder der Liedpostkarte gestorben
Der Dichter Anton Günther besang mit Leidenschaft seine Heimat, das Erzgebirge. Die größten Erfolge ließ er auf eigens erfundene Liedpostkarten drucken. Doch am 29. April 1937 nahm sich der naive Poet das Leben.
29. April
Dienstag, 29. April 2014
Autor: Joseph Berlinger
Sprecherin: Krista Posch
Illustration: Angela Smets
Redaktion: Julia Zöller
Wir sollen Spaß haben. Beim Einkaufen, im Restaurant, beim Zahnstein-Entfernen. Mit Musik geht alles besser. Und weil wir immer noch nicht bedudelt genug sind, bekommen wir die Musik auch noch geschickt. Und verschicken sie. An unsre Liebsten, unsre Kumpel, unsre Klassenkameraden, unsre Arbeitskollegen. Von den fast 4 Millionen Emails, die pro Sekunde in die Welt gesetzt werden, hat so manche einen Rucksack voll Musik dabei.
Dichten aus Heimweh
Auch vor gut hundert Jahren wurde schon Musik verschickt. In Form sogenannter "Liedpostkarten". Anton Günther, ein Lithograph aus dem Erzgebirge, erhielt im Jahre 1895 eine Anstellung an der "königlich-kaiserlichen Hoflithographie A. Haase" in Prag. Aber für den jungen Mann aus dem deutschböhmischen Örtchen "Gottesgab" war die große Stadt des Teufels. Nicht zuletzt, weil sie fünf Stunden von seiner geliebten Heimat entfernt lag.
Zum Trost trafen sich die in Prag lebenden, heimwehgeplagten Gottesgaber regelmäßig zum "Guttsgewer Obnd". Da erzählten sich die Pfeife schmauchenden Erzgebirgler Geschichten von der Heimat. Und Anton Günther wurde inspiriert zum ersten seiner vielen Lieder: "Drham is drham".
Weil er den Text und die Noten immer wieder jemandem abschreiben musste, kam er auf eine geniale Idee. Er druckte das Lied auf eine Postkarte. Auch wenn es solche Karten in Ansätzen schon gegeben hatte: der Lithograph und Dichter perfektionierte sie in den folgenden Jahren. Auf seinen Postkarten fand sich das Notenbild, der komplette Liedtext und zum Schmuck noch eine idyllische Zeichnung. Anton Günther gilt somit als Erfinder eines neuen Mediums: der Liedpostkarte.
Politisch vereinnahmt
Er gründete einen Eigenverlag, hatte als volkstümlicher Sänger viele Auftritte und verkaufte seine Postkarten.
Alles zum Lob der Heimat und für die Einigkeit aller Deutschen. Aber sein Patriotismus blühte auf vergiftetem Boden. Vergiftet vom Machtkampf zwischen Tschechen und Deutschen. Und der sudetendeutsche Sänger aus dem Erzgebirge wurde nicht damit fertig, dass seine naiven Verse als Munition dienten. Ihn plagten Depressionen. Der Vorzeige-Heimatdichter, der Lieder-Macher, der beliebte Musikant mit dem gezwirbelten Schnurrbart und dem tief ins Gesicht gezogenen Trachtenhut, er nahm sich am 29. April 1937 das Leben.
Die Nationalsozialisten unter seinen sudetendeutschen Landsleuten hatten ihn vereinnahmt, und Linkssozialisten stempelten ihn ab als Reaktionär. Der einfache, gemütvolle Sänger mit seinem Ideal vom guten, braven, treuen, gottesfürchtigen, patriotischen Deutschen, er wurde vom Streit der Völker und Parteien zerrieben. Und die Eingemeindung ging weiter bis zum heutigen Tag. Obwohl Anton Günther gedichtet hatte: "Ich bi net schwarz, ich bi net weiß, ich bi net rut, ich bi net grü, ich halt zer Haamit, ze menn Volk, weil ich e Arzgebirger bi".