Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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30. April 1927 Autogenes Training erstmals vorgestellt

Autogenes Training - am 30. April 1927 stellte der Psychiater Johannes Heinrich Schultz eine Selbsthilfemethode vor, mit der er seelische Traumata des Ersten Weltkriegs therapierte. Dann kam der Zweite Weltkrieg …

Stand: 30.04.2012 | Archiv

30.04.1927: Autogenes Training erstmals vorgestellt

30 April

Montag, 30. April 2012

Autor(in): Carola Zinner

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Redaktion: Thomas Morawetz

Der Krieg ist der Vater aller Dinge, hat einst ein Philosoph behauptet. Der Gegenbeweis konnte bisher nicht erbracht werden, denn dafür hätte es irgendwann einmal weltweit eine anhaltende Friedensphase geben müssen, und das war bedauerlicherweise nie der Fall. Immer war irgendein Land damit beschäftigt, sich auf einen Krieg vorzubereiten, ihn zu führen oder die Folgen zu verarbeiten. In den "Zwanziger Jahren" gehörte zum Alltagsbild deutscher Städte der Anblick von Männern, die in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs Arme und Beine verloren hatten oder im Giftgas blind geworden waren. Und dann gab es noch die, denen äußerlich nichts fehlte, die aber ständig zitterten oder plötzlich in Tränen ausbrachen und nicht mehr aufhören konnten zu weinen. Diese Männer konnten die schrecklichen Dinge, die sie im Krieg erlebt hatten, psychisch nicht verarbeiten. Sie hätten dringend professionelle Hilfe gebraucht, doch weil ihre Zahl in die Millionen ging, war das einfach nicht zu leisten - schon gar nicht mit den herkömmlichen personalaufwendigen Therapien.

"Ich bin ganz ruhig"

Am 30. April des Jahres 1929 präsentierte der Berliner Psychiater Johannes Heinrich Schultz auf dem "Zweiten Allgemeinen Kongress der Psychotherapie" eine neue Selbsthilfemethode. Das "Autogene Training" basierte einzig und allein auf der Macht der Worte. Schultz hatte einige Jahre in einer Berliner Hypnose-Ambulanz gearbeitet und kombinierte das, was er dort gelernt hatte, mit Methoden der Selbstbeeinflussung aus dem Yoga. Was dabei herauskam, die "autogenen Organübungen", wie er es nannte, sei in der Lage, den Zustand "nervöser" Patienten  deutlich zu verbessern. Und nicht nur das: Auch gesunde Probanden, denen er in Hochschulkursen das autogene Training beigebracht hatte, profitierten erheblich. Die Teilnehmer lernten schrittweise, ihren Körper in einen tiefen Entspannungszustand zu versetzen. Das geschah mit lautlos gesprochenen Sätzen, die einfach waren und leicht zu merken. Sie lauteten etwa "mein Arm wird schwer" oder "ich bin ganz ruhig".

Die Methode erforderte kaum personellen Aufwand, und sie half tatsächlich - nicht nur den vom Kriegsgeschehen Traumatisierten, sondern auch den vielen, deren Nerven dem raschen Wandel einer immer schneller und lauter werdenden Welt kaum noch gewachsen waren.

"Deutsche Seelenheilkunde"

Schultz schrieb ein Buch und machte Karriere, und siehe da, schon stand der nächste Krieg vor der Tür. Auch da spielte die Macht der Worte eine große Rolle; die Propaganda der Nationalsozialisten war dermaßen ausgefeilt, dass ihre abstruse rassistische Weltanschauung das Denken vieler Deutscher mehr und mehr bestimmte - auch das des angesehenen Psychiaters Johannes Heinrich Schultz. Der propagierte eine "deutsche Seelenheilkunde" und sprach sich für die Tötung von psychisch Kranken und geistig Behinderten aus; Homosexualität hielt er für eine krankhafte Neigung, die heilbar sei - Therapieresistente wurden ins KZ überstellt.

Diese Haltung half Schultz, in der NS-Zeit Karriere zu machen - und sie schadete ihm auch danach nicht: Bis zu seinem Lebensende war Johann Heinrich Schultz eine hoch dekorierte Größe seines Faches; noch mit 80 trat er öffentlich auf. "Ich bin ein Psychopath!", soll dabei gerne gesagt haben. "Aber nur Psychopathen haben die Welt bewegt".


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