30. September 1927 Erik Rotheim erhält US-Patent auf Sprühdose
In frühen Jahren der Sprühdose konnte der Druck auf´s Knöpfchen ein berauschendes Erlebnis sein. Und auch sonst war Erik Rotheims Modell noch nicht ganz ausgereift. Autor: Hellmuth Nordwig
30. September
Freitag, 30. September 2016
Autor(in): Hellmuth Nordwig
Sprecher(in): Ilse Neubauer
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Julia Zöller
Sie ist tannengrün, quadratisch und rund 50 Eurocent wert. Eine Briefmarke, mit der die königlich-norwegische Post Erik Rotheim ehrt. Nur wer genau hinschaut, erkennt im farbigen Hintergrund ganz dezent eine Urkunde. Das ist die Patentschrift, die dem norwegischen Ingenieur am 30. September 1927 ausgehändigt wurde. Nicht zu übersehen ist weiß auf grün die schlichte Zeichnung einer ganz normalen Sprühdose, dazu der Schriftzug "Norge 4 Kronen 20". Das ist alles.
Alptraum für Friseure und Graffiti-Sprayer
Die Botschaft ist klar: Erik Rotheim hat die Dose erfunden, aus der wir noch heute Deo unter die Achseln oder Sahne auf die Torte sprühen. Doch die Geschichte hat einen entscheidenden Haken: Sie stimmt nicht. Jedenfalls nicht so ganz. Was der norwegische Ingenieur entwickelt hat, würde jeden hartgesottenen Graffiti-Sprayer zum Fluchen bringen: eine kiloschwere Metallflasche, deren Inhalt sich unweigerlich bis zum letzten Tropfen entleerte, sobald das Ventil geöffnet war. So etwas ist weder für Künstler noch für Friseure so richtig brauchbar. Zumal Rotheim die grandiose Idee hatte, Dimethyl-Äther als Treibmittel zu benutzen. Ein explosives Gas, das zudem kaum weniger betäubend wirkt als der Äther, den Ärzte damals für Narkosen verwendeten. Erik Rotheim war das egal. Ihm ging es ausschließlich darum, dass er seine Skier mühelos und gleichmäßig einwachsen konnte. Das muss eine berauschende Angelegenheit gewesen sein.
Nun soll man auch über norwegische Erfinder nicht schlecht reden, wenn sie tot sind. Was bei Erik übrigens schon am Vorabend seines 40. Geburtstags der Fall war, angeblich als Folge einer Vergiftung - womit, ist nicht überliefert. Zur Ehrenrettung Rotheims muss man sich vor Augen halten, welch klägliche Möglichkeiten es vor der Entwicklung der Sprühdose gab, Flüssigkeiten in winzigste Tröpfchen zu zerlegen. Da war einmal die legendäre Flit-Spritze.
Flit, das war in den 1920er-Jahren ein höchst wirksames Insektenvernichtungsmittel - und die Spritze nichts anderes als eine Luftpumpe. Mit der konnte man im Vorratsgefäß einen Überdruck aufbauen, bis die giftige Brühe oben rausspritzte. Ähnlich funktionierten Parfumzerstäuber, nur mit einem Gummiball statt der Luftpumpe. In Retro-Läden gibt es diese Zerstäuber immer noch. Und das hat seinen guten Grund: Sie sind nicht nur schön altmodisch, sondern noch dazu echt öko. Kommen sie doch ganz ohne Treibmittel aus.
Schwachpunkt FCKW
Diese Gase waren nämlich lange Zeit ein Schwachpunkt der Sprühdosen. Nicht weil sie explodierten und das Bewusstsein des Sprühenden vernebelten - da war bald eine Alternative gefunden: Erik Rotheim hatte angeregt, statt des Äthers Fluor-haltige Gase zu nutzen, weil sie nicht brennen. Dass die wiederum die Ozonschicht schädigen, konnte er nicht wissen. Weshalb wir uns hier ausdrücklich nicht denjenigen anschließen, die dem Norweger den ehrenrührigen Titel „Vater des Ozonlochs“ verliehen haben.
Nein, Erik Rotheim kann man weder die Zunahme von Hautkrebs anlasten noch verunstaltete Vorortzüge. Er hat ganz einfach seinen Job als Ingenieur gemacht. Hat ein Problem erkannt, eine erste Lösung gefunden und darauf ein Patent bekommen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.