31. März 1960 Deutschlands erstes Autokino eröffnet
In Zeiten vor riesen Flachbildfernsehern an Wohnzimmerwänden, quetschte man sich mit vielen Menschen in einen Saal, wollte man großes Leinwandkino. Intimer wurde es dann erst im Autokino. So das Auto entsprechend … Autorin: Carola Zinner
31. März
Donnerstag, 31. März 2016
Autor(in): Carola Zinner
Sprecher(in): Ilse Neubauer
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
"Die ganze Familie ist willkommen, egal, wie laut die Kinder sind!" Wenn ein Kinobesitzer mit so einem Slogan wirbt, muss er schon was Besonderes in Petto haben. Und das hatte der Amerikaner Richard M. Hollingshead auch. Der "Vorführsaal" seines 1932 eröffneten Kinos bestand nämlich aus einem riesigen Parkplatz unter freiem Himmel.
Man ging bei Hollingshead nicht mehr ins Kino - man fuhr, im eigenen Wagen, und blieb dann gleich drin sitzen. Autokino, so hieß das Ganze, und es passte zu den autoverliebten Amerikanern wie die Faust aufs Auge. Entsprechend rasant war der Siegeszug von Hollingsheads Erfindung. In den gesamten USA schaute man durch die Windschutzscheibe zu, wie John Wayne ritt, Gary Cooper lächelte und Marylin Monroe wippte, und konnte gleichzeitig ungehindert das Geschehen kommentieren, einen längst überfälligen Streit austragen, mitgebrachtes Essen auspacken oder die Kinder auf dem Rücksitz ermahnen, endlich einzuschlafen - man war ja quasi in den eigenen vier Wänden.
Vor der Leinwand vorgefahren
Autokino war Familienkino, und wo noch kein eigener Nachwuchs vorhanden war, da verhalf es dazu. "Love Lane", so hieß die besonders bei der Jugend beliebte letzte Wagenreihe. Hier fand in ungestörter nächtlicher Zweisamkeit (tagsüber funktioniert Autokino nicht) zusammen, was in Ermangelung einer eigenen Wohnung nirgendwo sonst so lauschig zusammenfinden konnte.
Auch im Deutschland der 50er Jahre hatten junge Leute nur selten eigene Wohnungen; auch hier gehörte ein Kinobesuch zu den beliebtesten Freizeitvergnügungen. Und doch wurde der erste Versuch eines Autokinos, gestartet 1954 in Erlangen als Werbekampagne einer Firma für Großprojektoren, ein Flop. Kaum fing der Film an, verließen die Besucher ihre Autos und setzten sich im Freien auf dem Boden.
Man ahnt, warum. "Schloss Hubertus" durch die Frontscheibe eines Goggomobils oder eines VW-Käfer - das war schon was anderes als "Tarzan" von der gut gepolsterten Sitzbank eines amerikanischen Straßenkreuzers aus. Das Resumée der Veranstalter: "Die Deutschen sind noch nicht so weit".
Amerika, du hast es besser …
16 Jahre später waren sie es dann. Am 31. März des Jahres 1960 eröffnete im hessischen Gravensbusch das erste Autokino Deutschlands. Gelegentlich wird auch der 29. März als Tag der Premiere genannt, doch da lief nur eine Art Testvorführung - der rührige Unternehmer wollte offenbar kein Risiko eingehen. Hermann Franz Passage, ein Deutsch-Südafrikaner, besaß in Pretoria bereits mehrere Autokinos. Bei einer Nostalgietour durch die alte Heimat war er im Wald nahe Frankfurt auf ein Ausflugslokal samt dem idealen Wiesenstück gestoßen, hatte die Behörden von seinem Plan überzeugt, Förster und Naturschützer beruhigt und schließlich stattliche eineinhalb Millionen Mark investiert. Ergebnis war: das ganz große Kino. Mitsamt Imbiss, wo es Cola gab und original amerikanische Hamburger; sündteuer, aber so ultramodern, dass die Besucher gerne etwas dafür springen ließen. Auch sonst war alles ziemlich sensationell: 1200 Stellplätze und eine 540 Quadratmeter große Leinwand, auf der beim Premierenfilm "Der König und ich" Yul Brynner mit bloßem Oberkörper so viel Erotik ausstrahlte wie gerade noch erlaubt war. Währenddessen packten die Zuschauer mitgebrachtes Essen aus, ermahnten ihre Kinder auf den Rücksitzen, endlich zu schlafen oder fanden in ungestörter Zweisamkeit zusammen …
- alles fast genau wie in Amerika.
Nur die deutschen Autos, die - hätten wirklich ein bisschen größer sein können.