Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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11. Juni 1985 Zweiter Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke

Es war der größte Agentenaustausch im Kalten Krieg. Nach jahrelangem Tauziehen werden 25 Westagenten gegen vier Ostspione auf der Glienicker Brücke übergeben. Alles ist blitzschnell vorüber. Nur Anatoli Scharanski muss noch über ein halbes Jahr warten, bis auch er freigelassen wird. Autor: Hartmut E. Lange

Stand: 11.06.2024 | Archiv

11.06.1985: Zweiter Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke

11 Juni

Dienstag, 11. Juni 2024

Autor(in): Hartmut E. Lange

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Redaktion: Frank Halbach

Haus Victoria in der Winkler Straße 5 im West-Berliner Nobelviertel Grunewald umgibt eine geheimnisvolle Aura. An schwedischen Feiertagen weht die blau-gelbe Flagge im Vorgarten. Oft parken dunkle Limousinen mit Diplomatenkennzeichen vorm Haus. Und dann sind da noch die vielen alten Menschen, die tagsüber ein- und ausgehen.
Die weiße Villa ist eine karitative Einrichtung, die Rentnern aus evangelischen Gemeinden der DDR einige Wochen Erholung im Westen ermöglicht. Sämtliche Kosten, auch für medizinische Betreuung, trägt die schwedische Kirche.

Der geheimnisvolle Schwede

Carl-Gustaf Svingel, Leiter des Hauses, hat noch ein zweites Betätigungsfeld. Der Schwede ist seit Jahrzehnten mit SPD-Grande Herbert Wehner befreundet, per Du mit Willy Brandt, und auch mit seinem prominenten Namensvetter in Stockholm, mit König Carl Gustaf. Svingel ist durch seine Kontakte ein stiller Brückenbauer in humanitären Angelegenheiten zwischen beiden deutschen Staaten. Schon oft hat er die richtigen Leute unter seinem Dach versammelt, um scheinbar aussichtslose Fälle zu einem glücklichen Ende zu bringen: Familien zusammen zu führen, politische Häftlinge aus DDR-Gefängnissen zu befreien.
Ende Juni 1978 ist wieder so ein Meeting. Im Haus Victoria treffen sich Günter Gaus, Leiter der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR, Lothar Loewe, TV-Korrespondent der ARD in Washington, und Wolfgang Vogel, Rechtsanwalt aus Ost-Berlin. 
In der DDR gibt es zahlreiche Gefangene, die für die USA spioniert haben und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Doch die CIA kümmert sich nicht um ihre aufgeflogenen Agenten hinterm eisernen Vorhang.
Vogel übergibt ARD-Mann Loewe eine Liste mit 30 Namen inhaftierter Spione mit der Bitte, sie in Washington an die richtige Adresse zu leiten.
Im Austausch gegen die CIA-Leute möchte der Anwalt in den USA geschnappte Ost-Spione in die DDR zurückholen.

Austausch mit Hindernissen

Für die Amerikaner sind die Namen auf der Liste kleine Fische. Sie setzen einen ganz großen auf Platz 1: Anatoli Scharanski.
Der sowjetische Physiker, ein Jude, hat die Ausreise nach Israel beantragt. Nach der Ablehnung seines Gesuchs arbeitet er für Regimekritiker Andrei Sacharow, wird Aktivist für Menschenrechte und Gründungsmitglied der Moskauer Helsinki-Gruppe. 1977 wird er verhaftet und wegen angeblicher Spionage zu 13 Jahren Straflager verurteilt.

Es beginnt ein zähes Ringen um die Austauschmodalitäten, das sieben Jahre dauert. Haupthindernis ist die Sturheit der Regierenden beider Großmächte: die Sowjets beharren auf dem Spionagevorwurf. Die Amerikaner akzeptieren das Willkürurteil nicht, sie wollen den Dissidenten Scharanski befreien.
Am 11. Juni 1985 kommt es zum zweiten Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke zwischen Potsdam und West-Berlin. 25 West-Spione aus Gefängnissen der DDR und Polen, gegen vier Ost-Agenten, die in Amerika einsaßen. Anatoli Scharanski ist nicht dabei. Er muss noch sieben Monate im Lager 36 in Sibirien ausharren, bis der neue Mann im Kreml, Michael Gorbatschow, seinem Austausch zustimmt.


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