19. Oktober 1943 Isolierung des Antibiotikums Streptomycin
Elizabeth Bugie entwickelte mehrere antimikrobielle Substanzen. Sie war entscheidend an der Entdeckung des Antibiotikums Streptomycin beteiligt. Warum das kaum einer weiß? Man sagte ihr, dass es für ihren Namen nicht wichtig sei, auf dem Patent zu stehen, da sie "eines Tages heiraten und eine Familie haben würde". Autor: Hellmuth Nordwig
19. Oktober
Donnerstag, 19. Oktober 2023
Autor(in): Hellmuth Nordwig
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Redaktion: Frank Halbach
Sie haben es sicher mitbekommen: Bei uns ist nicht mehr von "Studenten" die Rede, wir sprechen von "Studierenden". Frauen nehmen ja längst mehr als die Hälfte der Studienplätze ein. Eine wissenschaftliche Karriere machen dann aber nicht so viele: Weniger als ein Drittel der Promovierenden sind weiblich, und auf vier Professoren kommt nur eine Professorin.
Ab ins Brautkleid
Wer den Ursachen nachspürt, stößt immer wieder auf Geschichten wie die von Elizabeth Bugie. Als fast fertige Studentin ist sie am 19. Oktober 1943 an der Entdeckung von Streptomycin beteiligt. Das Antibiotikum wird Medizingeschichte schreiben: Erstmals kann damit die Tuberkulose behandelt werden, damals eine verheerende Seuche. Doch Elizabeth Bugie hat von der Entdeckung nichts. Denn das Patent für Streptomycin beantragen zwei männliche Wissenschaftler. Elizabeth werde ja sowieso bald heiraten, spöttelt einer von ihnen. Der andere erhält sogar den Nobelpreis. Die Forscherin aber: Sie wird mit 0,2 Prozent der Lizenzgebühren aus dem Patent abgespeist. Zieht sich bald aus der Wissenschaft zurück und heiratet tatsächlich.
Viel zu häufig haben rücksichtslose Forscher eine verdiente Karriere von Wissenschaftlerinnen vereitelt. Leider kommt das auch heute noch vor. Immer wieder wird Elizabeth Bugie als Beispiel für diesen Skandal angeführt. Doch ihre Geschichte taugt nicht recht dazu, auch wenn sie andere Machtstrukturen in der Forschung bestens aufzeigt. Elizabeth hatte im Labor der Rutgers University in den USA nämlich einfach die Aufgabe, die Forschungsergebnisse ihres Kollegen Albert Schatz nachzuprüfen. Mehr war nicht drin, sie war ja noch Studentin. Tatsächlich konnte sie bestätigen, was Schatz zuvor beobachtet hatte:
Wo der Strahlenpilz Streptomýces griseus wächst, da hat der Erreger der Tuberkulose keine Chance. Es war dann aber Albert Schatz, der den Schluss zog: Der Pilz muss eine Substanz erzeugen, die das Bakterium abtötet. Er nannte sie Streptomycin und stellte genug für klinische Tests her.
Fragwürdiger Ruhm
An diesem Punkt kommt der Chef von Albert Schatz ins Spiel: Selman Waksman, ein Bakteriologe ukrainischer Abstammung, auf den der Ausdruck "Antibiotikum" zurückgeht. Wie viele davon sei auch Streptomycin seine Erfindung, behauptete er und meldete es kurzerhand selbst zum Patent an. Keineswegs untypisch in der akademischen Welt: Männliche Institutsdirektoren und Chefärzte heimsen auch heute noch gerne die Ehre ein, die eigentlich den Mitarbeitenden zusteht - und den Gewinn ebenfalls. Schatz verklagte seinen Boss aber und bekam zu Recht einen Teil der Lizenzgebühren zugesprochen. Doch über den Ruhm hatte das Gericht nicht zu entscheiden. Und so ist auch das Ende der Geschichte typisch für die Welt der Forschung: Der Nobelpreis für die Entdeckung des Antibiotikums Streptomycin ging ein paar Jahre später allein an Selman Waksman. Albert Schatz, der die Arbeit gemacht hatte, ging leer aus.