7. Mai 1824 Beethoven dirigiert die Uraufführung seiner 9. Sinfonie
Die 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven ist die letzte, die er vollendet. Die ersten Kritiken waren zwiespältig, besonders wegen des Chores - heute offizielle Hymne der Europäischen Union. Autor: Markus Vanhoefer
07. Mai
Freitag, 07. Mai 2021
Autor(in): Markus Vanhoefer
Sprecher(in): Ilse Neubauer
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Es ist ein Werk, dem Wiens Musikliebhaber mit hohen Erwartungen entgegensehen und so ist das "k. k.- Theater nächst dem Kärnthnerthore" am 7. Mai 1824 bis auf den letzten Platz besetzt, einzig die kaiserliche Loge ist leer geblieben.
Jenseits der Konvention
Im Vorfeld des Ereignisses haben Plakate für die "Große musikalische Akademie" des "Herrn von Beethoven" geworben in deren Mittelpunkt die Uraufführung eines "neuen Musikstücks" steht. Es ist die Neunte Symphonie des Meisters, deren Finalsatz die Vertonung von Schillers "Ode an die Freude" ist. Schon allein ein Blick auf die Bühne zeigt dem Publikum, die Komposition, die gleich zum ersten Mal erklingt, wird musikalische Konventionen sprengen. Hinter dem Orchester hat sich ein Chor positioniert. Vier Gesangssolisten stehen bereit. Wann hat es in einer Symphonie so etwas jemals gegeben? So freudig erregt die Atmosphäre im Auditorium auch sein mag, Beethoven hatte seine neueste Schöpfung ursprünglich nicht für seine Wiener Wahlheimat geschrieben. Knapp zwei Jahre zuvor, im Herbst 1822, hatte die Philharmonische Gesellschaft London bei ihm um eine Symphonie nachgefragt und 50 Pfund Honorar angeboten. Beethoven hatte den Auftrag dankend angenommen und sich an die Arbeit gemacht.
Im 19. Jahrhundert ist Musik eine Frage von Nationalstolz und Lokalpatriotismus. Beethoven ist ein Titan der Tonkunst, jemand auf den man in Wien stolz ist. Laut Carl Czerny ist er der "am meisten gefeierte Komponist", "ein außerordentliches Wesen, dessen Größe auch von denen geahnt wird, die seine Musik nicht verstehen".
Wenn ein Künstler von solcher Strahlkraft ein gewaltiges, hoch ambitioniertes Werk verfasst, dann darf man es doch nicht dem Ausland zur Premiere überlassen.
Triumph und Tragödie
Die Wiener Uraufführung der Neunten Symphonie wird zum künstlerischen Triumph und zur menschlichen Tragödie zugleich. Der Grund dafür ist Beethovens Krankheit, der Komponist ist völlig taub. Zwar hatte das Konzertplakat behauptet, Beethoven würde "an der Leitung des Ganzen Antheil nehmen", aber das ist Vorspiegelung falscher Tatsachen. Der 53-jährige kann den realen Klang eines Instruments oder einer Stimme nicht mehr hören. Dass er seine Symphonie eigenständig dirigiert, ist undenkbar, auch wenn es Beethoven gerne möchte. Deshalb wird ihm der Kapellmeister Michael Umlauf zur Seite gestellt. Er ist der eigentliche Dirigent.
Als nach dem Schlussakkord Ovationen im Kärntnertortheater ausbrechen, kommt es zu einer berührenden, herzergreifenden Szene. Zweit-Dirigent Beethoven steht mit dem Rücken zum Zuschauerraum, der Fortissimo-Jubel bleibt ihm verborgen. Erst als ihn die Sängerin Caroline Unger zum Publikum umdreht, nimmt er die euphorische Reaktion im Saal wahr. In diesem Moment wird den Wienern voller Entsetzen klar, wie taub ihr Beethoven wirklich ist.
Beethovens Freude über den Erfolg seiner Symphonie währt nicht lange. Wie damals üblich hat er seine Akademie selbst organisiert und finanziert. Nach Abrechnung fällt sein Gewinn wesentlich geringer aus, als er gehofft hatte.
Wenige Tage später wird die Neunte erneut aufgeführt, diesmal füllt sich der Saal nur zur Hälfte. Beethoven ist frustriert: "Die übelste Laune bemächtigte sich seiner, so dass Beethoven für niemanden zugänglich wurde", schreibt Anton Schindler, der Sekretär des Komponisten.