28. November 1909 Bergenbanen nimmt Fahrt auf
Sie zählt zu den schönsten Bahnstrecken der Welt: Der Bergensbanen verbindet Oslo und Bergen. Auf der Strecke sieht man als Fahrgast, was Norwegen landschaftlich zu bieten hat: Wälder, Hochebenen, Fjorde. Und auch die Namen der Bahnstationen klingen wie ein skandinavisches Märchen. Autor: Thomas Grasberger
28. November
Donnerstag, 28. November 2024
Autor(in): Thomas Grasberger
Sprecher(in): Irina Wanka
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Eisenbahnfahren ist eine feine Sache. Wenn nicht gerade Jahreszeiten sind. Denn Jahreszeiten trüben den Fahrspaß mitunter erheblich. Winter zum Beispiel – ein ganz perfider und hinterlistiger Saboteur, der sich jedes Jahr wieder – völlig unerwartet – mit kleinen Tief anschleicht und dann die Weiterfahrt behindert, indem er drei Zentimeter Neuschnee aufs Gleis streut. Oder noch schlimmer – der Hochsommer. 35 Grad, draußen! Und drinnen? Ebenfalls 35, aber minus. Weshalb der deutsche Schnellzug auch den Namen ICE trägt.
Alle Jahre wieder
Die Bahn in ihrer sprichwörtlichen Bescheidenheit erklärt ihr Kühlverfahren hauptsächlich mit dem Einsatz von Klimaanlagen, die in der Regel auf dem Dach der Züge installiert sind. Aber das ist natürlich völlig untertrieben. In Wirklichkeit hat der Konzern ein hochkomplexes Schockfrostverfahren entwickelt, mit dem an Tausenden von Fahrgästen eine Schlüsseltechnologie der Zukunft erprobt wird: die Kryo-Konservierung, also die Lagerung von Zellgewebe durch Einfrieren. Fernziel dieser revolutionären Unternehmung ist das ewige Leben der Passagiere. Was keine schlechte Idee ist, dann würden zumindest die Verspätungen nicht mehr so ins Gewicht fallen.
Was kann auf die Schiene?
Die Frage aber, wozu Eisenbahnen und ihre Strecken sonst noch taugen könnten, ist damit noch nicht erschöpfend beantwortet. Denn Möglichkeiten gibt es viele. Zum Beispiel lyrisch-literarische.
Man stelle sich nur vor: Eine Bahnstrecke entlang von poetischen Stationsnamen. Das Kursbuch als Gedicht!
Zum Beispiel mit dem wohlklingenden Titel "Bergensbanen". Mal abgesehen davon, dass es diese gut 500 Kilometer lange norwegische Bahnstrecke von Oslo nach Bergen tatsächlich schon gibt, nämlich seit dem 28. November 1909, und dass die siebenstündige Bergensbanen-Fahrt zu den landschaftlich schönsten Bahnreisen der Welt zählt – mit atemberaubenden Ausblicken auf Wälder, Hochebenen und Fjorden. Mal ganz abgesehen von all dem, hier soll es uns allein um die lyrische Qualität gehen. Beachten Sie also bitte die zauberhafte Prosodie von Bergensbanen:
"Oslo – Drammen – Hønefoss
Sørumtoppen – Halsteinrud!
Heggen – Hegga – Østveme
Borglund – Væla – Gardhammar
Dale – Arna – – –Bergen! "
Ja, so geht wahre Eisenbahn-Poesie – in Norwegen. Übrigens, unbestätigten Gerüchten zufolge interessiert sich auch die Deutsche Bahn für dieses Konzept der poetischen Streckenführung; für den Fall, dass das Geschäftsmodell mit der Kryo-Konservierung doch kein Erfolg werden sollte. Man munkelt, dass das DB-Gedicht so beginnt...
"Essen – Mülheim – Düsseldorf
Leverkuusen – Düüüüren...
Anschluss – Züge – Warten – Nicht!
Vorsicht an den Türen!“
Tja, und so weiter...
Mal schaun, ob dieses Poem den Zielbahnhof jemals erreicht. Der nächste Winter jedenfalls, der kommt bestimmt.