10. August 1793 Der Louvre wird zum Museum
Der Louvre: das größte und meistbesuchte Kunstmuseum der Welt. Über 380.000 Objekte bergen seine Mauern, davon können nur etwa 35.000 ausgestellt werden, obwohl eine Fläche von 72.735 Quadratmetern zur Verfügung steht für die jährlich beinahe 100 Millionen Besucher. Autorin: Katharina Hübel
10. August
Dienstag, 10. August 2021
Autor(in): Katharina Hübel
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Es ist ein Montag. Der Tag, an dem groß reingemacht wird im Louvre. Dem größten Museum der Welt. Die Putzkräfte müssen ordentlich reinhauen, um die fast 73.000 Quadratmeter sauber zu bekommen. Das ist so viel Fläche, wie alle US-Amerikaner zusammengenommen im Jahr 2020 an Pizza aßen. 20.000 Touristen tappen täglich durch die Säle – die Bevölkerung einer Kleinstadt, ausgekippt in Busladungen im ersten Arrondissement von Paris – und sie alle wollen nur eines: durch die markante Glaspyramide rein in die ehemalige Residenz zahlreicher französischer Könige. Da gibt es schon mal was hinterherzukehren.
Das berühmteste Lächeln der Kunstgeschichte
Vor allem im ersten Stock des Louvre, im Saal 6, vor dem Gemälde der Mona Lisa. Dem Meisterwerk von Leonardo da Vinci, dem Herzstück des Louvre. Was gelten die restlichen 400.000 Kunstwerke, wenn man auch nur dieses eine sehen kann? Denken manche Touristen und nutzen die wenigen Sekunden, die ihnen bleiben, während sie von den Massen hinter sich weitergeschoben werden, um kurzen Blickkontakt mit der sanft lächelnden Dame aufzunehmen. Aber nicht einmal so viel Zeit hatten die Raumpfleger, die vor über hundert Jahren durch die Hallen saugten. Und so fiel ihnen an einem Montag im Jahr 1911 alles andere auf, als dass das berühmte Renaissance-Gemälde schlichtweg fehlte. Einsame vier Nägel waren an der kahlen Wand zurückgeblieben. Am Dienstag fragte vorsichtig ein Kopist nach seinem Verbleib. Und als sich am Mittwoch herausstellte, dass der Hausfotograf die Mona Lisa dieses Mal nicht mit zu sich genommen hatte, wurde das Museum unruhig: Die Mona Lisa war gestohlen. Im Verlauf der Ermittlungen tauchten Werke aus dem Louvre wieder auf, die noch gar nicht als vermisst gemeldet waren: Bei Pablo Picasso.
Er hatte zwei Skulpturen aus dem Louvre von einem Kunstdieb erstanden und noch schnell in einem Gemälde verewigt, bevor er sie wieder abgeben musste. Die Mona Lisa hatte er allerdings nicht. Die Spur führte nach Italien zu einem Handwerker, der da Vincis Bild einfach von der Wand genommen, in einen Koffer gesteckt und unter sein Bett gelegt hatte. Er wurde damit zu einer Art Nationalheld: Er habe da Vincis Meisterwerk wieder nach Italien zurückführen wollen, gab er als Motiv an. Also lediglich Beutekunst zurückerbeutet.
Das erste öffentliche Museum der Welt
Historisch stimmt das im Fall der Mona Lisa zwar nicht, aber tendenziell hatte er nicht Unrecht: Napoleon Bonaparte daselbst hatte die Mona Lisa in guter Herrscher-Tradition zunächst in seinem Schlafgemach hängen, bevor er sie 1804 dem Louvre schenkte. Aber auch, wenn die französischen Könige im Fall der Mona Lisa unschuldig waren, so hatte Napoleon als Kaiser der Franzosen tatsächlich viele der wertvollsten Schätze des Louvre aus anderen Ländern zusammengeraubt – und dabei eine blutige Spur hinterlassen. Der Louvre steht damit wie kein anderes Museum für den Imperialismus. Ein wunder Punkt in der Geschichte. Sollte der Louvre doch eigentlich für die Freiheit stehen. Am 10. August 1793, auf den Tag genau ein Jahr nach Abschaffung der Monarchie, wird der Louvre, der ehemalige Königspalast, dem Volk geschenkt: Das Tribunal der Französischen Revolution eröffnet den Louvre als "Zentrales Kunstmuseum der Republik". Als erstes öffentliches Museum der Welt.