18. Juli 1784 Erste internationale Ballonfahrt
Von der Insel rüber nach Frankreich, das ist der Plan der Ballon-Pioniere Blanchard und Jeffries. Eigentlich sind die beiden eher Konkurrenten, aber der gemeinsame Flug schweißt sie zusammen - und lässt sie im Wortsinne, alles über Bord werfen - von Argwohn bis Unterhosen. Autorin: Katharina Hübel
18. Juli
Dienstag, 18. Juli 2023
Autor(in): Katharina Hübel
Sprecher(in): Irina Wanka
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Eigentlich wollte er der Erste sein. Der erste Mensch in den Lüften. Aber die Gebrüder Montgolfier kamen ihm mit ihrem Heißluftballon zuvor. Jean-Pierre Blanchard hatte ein fliegendes Schiff konstruiert: Ein mit Wasserstoff gefüllter Ballon, umspannt von einem Netz, darunter eine Gondel, mit Steuerrad und Luftpaddeln, die wie Flügel aussehen. Zu den Sternen will er aufsteigen und landet erstmal auf dem Acker. Doch dann, am 18. Juli 1784 fliegt er tatsächlich zum ersten Mal. 60 Kilometer weit. Den Zeitgenossen ist das schon längst nicht mehr spektakulär genug. Blanchard braucht eine größere Herausforderung. Einen Rekord.
Höher und weiter
Und so tut er sich mit dem Naturwissenschaftler Dr. John Jeffries zusammen. Sie wollen den ersten internationalen Flug wagen, einmal übers Meer fliegen: über den Ärmelkanal. Bei Jean-Pierre Blanchard aber sitzt der Stachel tief, dass er schon einmal den Platz in den Geschichtsbüchern hat abgeben müssen. Und so versucht er, Jeffries auszutricksen: Er macht sich beim Wiegen vor dem Start schwerer - mit einem Bleigürtel. Kein Platz mehr für Jeffries! Aber der kommt ihm auf die Schliche. Und so starten der Engländer und der Franzose dann doch gemeinsam.
Ballast abwerfen
An einem Januartag 1785 gleiten sie von den Klippen von Dover. Doch nach fünfzig Minuten beginnen sie zu sinken. Auch ohne den Bleigürtel von Blanchard. Kein Problem: Dann gehen halt die Sandsäcke über Bord.
Um zwei Uhr ist ein Drittel des Wegs geschafft. Bei perfektem Wetter fahren sie durch die Wolken, unter ihnen das Meer. Und sie sinken wieder. Kurzerhand werfen sie einen ganzen Packen Flugblätter über Bord. Eine viertel Stunde später. Die Hälfte des Wegs ist geschafft. Der nächste Packen Flugblätter treibt jetzt auf den Wellen. Die Aussicht auf die französische Küste ist betörend. Um halb drei finden Kekse und Äpfel ihren Weg in die Tiefe, schließlich eines der Paddel. Kurz darauf muss das zweite dran glauben. Und der Ballon sinkt immer noch. Jeffries und Blanchard entledigen sich der teuren Seide und hübschen Goldkordeln. Unwillig trennen sich die Ballonfahrer schließlich von Essentiellerem: von Anker und Tauen. Der Ballon streift mittlerweile bereits die Wellen. Was bleibt? Sie entledigen sich schließlich ihrer schweren Jacken. Hemden. Hosen.
Zähneklappernd ob des starken Januar-Windes und in bloßer Unterhose steuern Blanchard und Jeffries schließlich um drei Uhr dem französischen Festland entgegen. Der Ballon sinkt nach wie vor, eine Bruchlandung scheint kaum mehr vermeidbar. Auf den letzten Metern erleichtern sich die beiden Luftfahrt-Pioniere um das einzige, was ihnen noch möglich ist: Zwischen fünf und sechs Litern Urin werden es wohl gewesen sein, schätzt Jeffries in seinem Bericht. Und dann: Eine begeisterte Menschenmenge empfängt sie in Frankreich. Jean-Pierre Blanchard bekommt schließlich, was er schon immer wollte: Jubel, Ruhm, die Ehrenbürgerschaft von Calais, eine lebenslange Pension vom französischen König - und: frische Wäsche.