Bayern 2 - Das Kalenderblatt


14

22. April 1990 Erster internationaler Tag der Erde

Jedes Molekül eines Menschen war schon mal Grashüpfer, Baum, Blume, Wasser des Pazifik oder Blut eines Dinosauriers. Seit dem 22. April 1990 wird international der Earthday gefeiert. Autor: Geseko von Lüpke

Stand: 22.04.2021 | Archiv

22 April

Donnerstag, 22. April 2021

Autor(in): Geseko von Lüpke

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Wieder so ein Gedenktag, mit dem wir eigentlich nur unser Vergessen und unsere Ignoranz feiern. Diesmal ist es die Erde selbst, die irgendwelche medienbegabten Umweltschützer seit dem 22. April 1990 als "Earthday" in den Kalender gehievt haben. Da liegt sie nun auf diesem Datum: rund und groß und schwer und ganz am falschen Ort. Als Fremdkörper, zum Anschauen von außen, ganz so wie wir das gerne tun. Der Earthday ist ein Gedenktag, der nicht der Erde gedenkt, sondern eines kolossalen Missverständnisses: Dass Mensch und Erde sich unterscheiden. Wer daran glaubt, der ignoriert die Wirklichkeit.

Wir wären gerne etwas Besseres

92 Prozent der Materie, aus der sich der Mensch und die Erde zusammensetzen, wurde vor viereinhalb Milliarden Jahren in der Supernova einer explodierenden Sonne geschmiedet. Es mag märchenhaft klingen - und ist trotzdem wahr: Nicht nur die Erde zu unseren Füßen, sondern auch wir selbst bestehen aus Sternenstaub. Allen Putzteufeln zum Trotz.

Wir wären ja gerne etwas Besseres als jene dunkle Erde, die wir uns fein säuberlich unter den Fingernägeln hervorkratzen. Doch Pustekuchen - wir essen sie täglich. Alles woraus der Mensch wächst, ist mineralischer und pflanzlicher Herkunft. Wir nehmen Erde zu uns: Von Pflanzen herausgesogene Minerale, die sich in unseren Körper ergießen und alle sieben Jahre unsere Zellen rundum erneuern. Wir nehmen Erde auf und scheiden sie wieder aus, bis wir irgendwann zu Erde werden. Unangenehm, aber unvermeidbar.

Wir wären auch gerne was Besseres als die Qualle im Meer, die Ratte im Kanal, die Motte im Schrank. Eine nutzlose Arroganz, die von der Wissenschaft immer weiter demontiert wird.

Unsere DNA unterscheidet sich halt leider kaum von der des Regenwurms. Ja schlimmer noch: Als jüngstes Produkt der planetaren Evolution trägt der Mensch die gesamte Geschichte des Lebens in sich.

In der Entwicklung von der befruchteten Zelle bis zum Säugling müssen wir Qualle, Fisch und Amphibie sein, um Mensch zu werden.

Earthday ist jeder Tag - oder keiner

Und mit der Abgrenzung vom Rest der Schöpfung will es auch nicht mehr so funktionieren, wie wir es gerne hätten. Der Kohlenstoff unseres Körpers war schon 600 mal, der Phosphor gar 8.000 mal Teil irgendeines Wesens in der Geschichte des Lebens. Jedes Molekül jedes Menschen war schon mal Grashüpfer oder Baum oder Blume. Igittigitt? Oder Grund zum Staunen?! Man könnte es ja auch mal so sehen: Mit jedem Atemzug, den wir tun, inhalieren wir Sauerstoff vom Anfang der Zeit, geschaffen von Mikroorganismen, Pflanzen, Bäumen. Es könnte uns ehrfürchtig machen: Wir bestehen, wie die Oberfläche des Planeten, zu 70 Prozent aus Wasser, unser Salzgehalt entspricht dem der Meere. Unser Körperwasser war einmal Gletschereis der Anden, Wasser des Pazifik, Regen eines Hurrikans, Blut eines Dinosauriers, Grundwasser in der Tiefe der Erde.

Man kommt kaum drum herum: Wir sind Teil eines Lebewesens, dass 3,6 Milliarden Jahre alt ist, einen Leibesumfang von 40.000 Kilometern hat und aus schätzungsweise acht Millionen unterschiedlichen Spezies besteht. Earthday ist jeder Tag oder keiner. Wir sind die Erde! Denken wir also heute - an uns selbst!


14