17. Dezember 1962 Erster Sexshop der Welt eröffnet
Beate Uhse - eine der einflussreichsten deutschen Unternehmerinnen, mit ihrem 1962 eröffneten „Fachgeschäft für Ehehygiene“, von dem viele meinten, es verstoße gegen "Zucht und Sitte". Autorin: Julia Zöller
17. Dezember
Donnerstag, 17. Dezember 2020
Autor(in): Julia Zöller
Sprecher(in): Krista Posch
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
In der großen weiten unübersichtlichen Welt des Internets sind Bewertungen der sichere Hafen. Einordnen und kontrollieren.
Das gilt für Fahrradhelme und Allergikermüsli genauso wie für Sexspielzeug.
"Ich habe mich etwas darüber aufgeregt, weil nur ein USB Ladekabel dabei war", schreibt Alfred über ein Geschenk für seine Frau, einen Vibrator. Er hatte einen Netzstecker erwartet. Manuel wiederum irritiert das laute Geräusch…seines "Loverings" und Alexandra moniert an ihrem Spielzeug einen kaputten Akku.
Luft nach oben
Aha. Nun ist es also so weit. Die Deutschen schreiben über Vibratoren als wären das ferngesteuerte Autos oder Taschenlampen.
"Ja warum denn nicht", würde eine zierliche Frau mit gestreifter Hemdbluse und Kurzhaarschnitt vielleicht antworten, würde sie noch leben. Beate Uhse hat schließlich schon über Sex geredet, als der nur in der Ehe, im Dunklen und nach der Tagesschau stattfand. Sie wusste, dass da kreativ noch Luft nach oben war – schließlich gehörte ihr seit 1952 das erste deutschen Versandhaus für Sexartikel.
Wobei das natürlich anfangs noch nicht so heißen durfte, weshalb Beate Uhse ausschließlich "Hygiene-Artikel für Eheleute" verschickte. Plus – und das war der praktisch veranlagten Unternehmerin wichtig - wertvolle Infos zu Sexproblemen und Verhütung. Mit ihren diskreten Päckchen, die sich die Kunden nach Hause liefern ließen, war Beate Uhse der heutigen online-Bestellwelt damals erstaunlich nah. Näher als in den 60er-Jahren, als sie mit den berühmten Sexshops angefangen hat.
Aufklärerin der Nation
Den ersten eröffnet sie am 17.Dezember 1962 ihrer Heimatstadt Flensburg. Andere hätten vielleicht etwas mehr räumlichen Abstand gewählt, aber Beate Uhse will sich – obwohl ihr das viele nahelegen – für ihr Unternehmen kein bisschen schämen.
In Flensburg lebt sie ganz bürgerlich, mit ihren zwei Kindern, ihrem zweiten Mann und dessen Sohn. Ihr erster Partner, den sie beim Flugunterricht kennengelernt hat, ist im zweiten Weltkrieg gefallen.
Fliegen ist ihre große Leidenschaft. Im Krieg hat sie Jagdflugzeuge überführt, auch für die Luftwaffe. Als die Russen 1945 kurz vor Berlin stehen, kapert sie kurzerhand ein kleines Passagierflugzeug und fliegt sich und ihren Sohn aus der Gefahr bis hoch nach Flensburg.
So ist Beate Uhse. Nicht zögern, handeln. So wird sie – ganz zufällig – bald darauf zur Aufklärerin der Nation. Als sie bemerkt, dass die jungen Frauen um sie herum weder Präservative – noch eine Ahnung von Verhütung haben, schreibt sie – Tochter einer Ärztin – kurzerhand ein Info-Broschüre, die sie für zwei Reichsmark erfolgreich verkauft. Genauso wie bald darauf Verhütungsmittel – und dann eben den ganzen typischen Beate-Uhse-Kram.
1976 liegt der Jahresumsatz des Unternehmens bei sagenhaften 60 Millionen D-Mark. 2017 geht die Firma beinahe pleite. Die große, weite, unübersichtliche Welt des Internets, wo Manuel, Alexandra und Alfred so gerne ihr Spielzeug kaufen, ist dem Management zu lange zu egal gewesen. Und dass im letzten Katalog von 2016 die Kondome tatsächlich noch "Lümmeltüten" hießen, ist unsexy – und: das hat Beate Uhse wirklich nicht verdient.