7. September 1882 Henry Finlay entdeckt den Großen Septemberkometen
Einst beeinflusste der Lauf der Sterne das Weltgeschehen. Insofern verspricht ein Komet im Jahr 1882 Großes. So richtig überschlagen sich die Ereignisse bei seinem Erscheinen nicht. Was sein Gutes hat. Autor: Sebastian Kirschner
07. September
Montag, 07. September 2020
Autor(in): Sebastian Kirschner
Sprecher(in): Christian Baumann
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Früher, da galten Männer noch als Männer. Da hing am Christbaum noch ordentlich Lametta. Da kostete das Wassereis nur zehn Pfennig. Früher war einfach alles besser. Für die einen ist das eine nostalgische Binsenweisheit der ewig Gestrigen. Für andere schlicht eine Gemeinheit der Geschichte. Weil man irgendwie zu spät dran ist. Und wer weiß, ob nicht auch der Astronom William Henry Finlay es so gesehen hat. Denn:
Als noch Kometen regierten…
Früher, da beeinflusst der Lauf der Sterne das Weltgeschehen. Kometen künden von großen Ereignissen. Mit ihnen trumpft der Himmel auf, wenn etwa irgendwo ein Gott geboren wird. Wenn die Sonne sich verfinstert, dann braut sich etwas zusammen. Ein schreckliches Omen am Horizont, das drohendes Unheil voraussagt: Ein Reich wird untergehen oder ein ganzer Kontinent von einem mythischen Fisch verschlungen. Und mancher Stern schreibt Geschichte, weil ihm angeblich Könige mit kostbaren Gaben auf ihren Kamelen gefolgt sind.
Insofern verspricht der Große Septemberkomet im Jahr 1882 Außerordentliches: Tagelang überstrahlt er mit seinem beeindruckenden Schweif nicht nur den Morgenhimmel, den ganzen Tag über ist er ohne Probleme mit bloßem Auge zu erkennen. Der Große Septemberkomet leuchtet so stark, dass er noch mehr als hundert Jahre später als der wahrscheinlich hellste jemals beobachtete Schweifstern gilt. Mit ihm wäre es also an der Zeit für weltpolitische Dramen, religiöse Erlöser oder kosmische Katastrophen.
Und? Gibt es Großes?
Was also passiert am 7. September 1882? Der britische Astronom William Henry Finlay macht von Südafrika aus die Welt auf DEN Kometen seiner Zeit aufmerksam – und es geschieht: nichts von alledem. Kein Klagen, kein Jauchzen, kein neuer Gott, kein Weltuntergang.
Die Zeitungen der Welt schreiben nüchtern, beinahe wissenschaftlich, über das, was sich am Himmel tut. Sicher der bemerkenswerteste aller modernen Kometen - so nennt ihn die US-Zeitung Republican in Iowa etwa. Wie laaangweilig!
Halt: Immerhin im italienischen Venedig ist der Große Septemberkomet schuld an großem Unheil. Als im Oktober 1882 dort ein Hochwasser viele Provinzen verwüstet, machen die Bewohner den Schweifstern dafür verantwortlich. Aber warum der Große Septemberkomet ausgerechnet nur in dieser kleinen Ecke der Welt gewütet haben soll? Einerlei. In weiten Teilen der restlichen Welt jedenfalls scheinen Fortschritt und Wissenschaft die Menschen verdorben zu haben. Aus und vorbei. Kein Platz mehr für Sterne, die am Weltgeschehen rütteln.
Wie gesagt: Früher war einfach alles besser! Andererseits: Vor etwa 66 Millionen Jahren hat auch ein Himmelskörper das Weltgeschehen beeinflusst. Nicht zuletzt seinetwegen sind damals die Dinosaurier ausgestorben. Insofern: Schade für William Henry Finlays Entdeckung. Aber vielleicht auch ganz gut, dass ein Großer Komet mal nicht so große Geschichte geschrieben hat.