23. März 1964 John Lennon "In His Own Write"
War die Beatlemania daran schuld, dass sich John Lennons Buch "In His Own Write" sofort so großartig verkaufte? Jedenfalls gerieten auch die seriösen Rezensenten ins Schwärmen, als Lennon am 23. März 1964 seine abgefahrene Nonsense-Literatur veröffentlichte.
23. März
Dienstag, 23. März 2010
Autor: Rainer Nothaft
Redaktion: Thomas Morawetz
Das Foto vorne auf dem Buchumschlag zeigt den Verfasser mit dem zutraulichen Lächeln aller Kurzsichtigen. Als Titel für sein Werk hat er "In His Own Write" gewählt, ein Wortspiel, es kann "In seiner eigenen Schreibe" heißen, oder, dem Klang nach, "Aus eigenem Recht". Der Umfang des Buchs überschreitet nicht 78 locker bedruckte Seiten. Trotzdem, sein Inhalt wäre mit "vielschichtig" nur sehr unzulänglich beschrieben. Von ferne grüßen, was eigenwillige Rechtschreibung angeht, Jane Austen und Ernest Hemingway.
Das alles lässt positiv aufhorchen - aber klingt es nach Erfolg? Tatsache ist: am 23. März 1964, dem Tag seines Erscheinens, verkaufte sich das Buch sofort mit 40 000 Exemplaren; die hoch gebildete, sprachlichen Neuerungen immer gewogene "Times Literary Supplement" empfiehlt es der "verdienten Achtung" ihrer nicht minder hoch gebildeten Leser; und die BBC musste, wie sie gestand, bei der Lektüre "jede Minute einmal lachen".
Bei alledem half natürlich enorm, dass der Verfasser John Lennon hieß und die Beatles gerade dabei waren, viele schöne Liebeslieder zu singen, ihre Haare herumzuschwenken und allen Mädchen auf der richtigen Seite von 16 das Bewusstsein zu trüben, oder das Herz zu brechen, oder vielleicht auch beides.
Doch half der Name, und half die Beatlemania - es war nicht alles. Denn was John Lennon anzubieten hatte, war, und bei den Fremdsprachenkenntnissen der Engländer darf man es ruhig so nennen - war eine Bouillabaisse von einem Buch, alles drin, was ein Herz begehrt: Gedichte, Kurzgeschichten, Dialoge, Szenen und Fragmente - obwohl gleich gesagt werden muss, dass das Werk der bedauerlichen Vielzahl englischer Wörter noch eine ganze Menge hinzufügt, selbst solche, von denen das gewaltige Oxford English Dictionary in seinen gewaltigen 20 Bänden noch nie etwas gehört hat. Goggledegook darunter und merry Chruztchove, graun, grattie, geltzie, Bilt zeitung, varuom, sniedypipe, groppy, gribble und grabble, nur als kleine Auswahl.
Aber bereichert John mit seinem Werk nur den Wortschatz der englischen Sprache? Nein, er erweitert auch die Ausdrucksmöglichkeiten ihrer Lyrik: Denn wer, vor oder nach Coleridge, wer hat Reimpaare gefunden wie nicky und hicky, hocqy und cockey, Harry Lime und time? Niemand - nur John!
Doch genug. An dieser Stelle, wenn auch etwas abrupt, oder wie John sagen würde, etwas ratters und gradders, wollen wir mit unseren Kostproben aus seiner Sprachwerkstatt schließen. Die Zeit drängt, und zu wichtig sind noch drei Fragen, die sein großer Mit-Beatle, Paul McCartney, gestellt hat: Ist er tief? Ist er kunstvoll? Ist er kulturell? Gestellt hat, nur um beantwortet zu werden mit: YEAH! YEAH! YEAH!, oder, etwas ausführlicher, mit: Ja, John ist tief! Ja, John ist kunstvoll! Und: Ja, John ist kulturell, das sogar sehr! Aber nicht nur, weil John sich locker in die glorreiche Tradition der englischen Nonsense-Literatur eingeklinkt hat. Nein, in seinem Buch findet sich auch die Zeile: He had a hard days night that day.
Aus ihr ist dann eines der frühen Meisterwerke der Beatles geworden.