4. November 1493 Kolumbus landet auf Guadeloupe und bekommt Ananas
Heute fristet die Ananas ihr Dasein vielfach in Konservendosen. Doch einst galt sie als Königin unter den Obstsorten. Teuer, exklusiv, nur den Reichen und Mächtigen vorbehalten. Später kann sie jeder kaufen - und nicht wenigen packen auch noch schnöden Schmelzkäse drauf. Autor: Sebastian Kirschner
04. November
Freitag, 04. November 2022
Autor(in): Sebastian Kirschner
Sprecher(in): Irina Wanka
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Fastfood-Burger mit fettigen Fritten: eigentlich ein kulinarischer Albtraum. Ein süßes Teilchen mit Erdbeerfrischkäse: nun ja, über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Oder doch lieber ein saftiger, vitaminreicher Apfel? - "Du bist, was du isst", heißt es im Sprichwort. Zack, schon meldet sich das Gewissen: Im Geiste gehen wir die Liste der gesunden Dinge durch, die wir eigentlich viel mehr essen wollten. Und bemerken all das, wonach uns stattdessen nur zu oft gelüstet.
Chips und Co
Zum Beispiel eine schöne Pizza Hawaii: knuspriger Hefeteig, belegt mit saftigem Schinken, Käse und reichlich fruchtiger Ananas. Zugegeben, eine Kombination, bei der es echten Italienern wohl graust. Oder ein naher Verwandter: Toast Hawaii, der Klassiker der 50er-Jahre-Partyküche. Eine Scheibe Kastenweißbrot überbacken mit Kochschinken, Dosenananas und fragwürdigem weil in Folie eingeschweißtem Schmelzkäse. Kulinarischer Overkill, der schmeckt. Oder ... - zack, schon wieder das Gewissen: Du bist was du isst.
Ananas unterm Käse
Dabei sollte es eher umgekehrt lauten: Du isst, was du bist. Die Pizza zum Beispiel galt einst als Arme-Leute-Essen. Ein einfacher, gebackener Fladen, für den man kein Besteck brauchte. Gemessen daran wäre Toast Hawaii im Grunde ein Festmahl der Fürsten gewesen. Doch von Anfang an.
Alles beginnt mit Christoph Kolumbus. Der hat nicht nur Amerika entdeckt, sondern wohl auch eine besondere Gaumenfreude. Nein, nicht das sprichwörtliche Ei des Kolumbus.
Vielmehr hat er den Europäern ein Obst beschert, das er selbst angeblich zunächst für einen gigantischen Pinienzapfen hält: die Ananas. Die bekommt er am 4. November 1493 auf der karibischen Insel Guadeloupe. Der Seefahrer befindet sich auf seiner zweiten Amerikareise, und die dortigen Ureinwohner heißen ihn mit den tropischen Früchten willkommen.
Der Beginn eines Siegeszugs: Angeblich überlebt nur eine einzige Ananas unbeschadet den langen Rückweg nach Europa. Doch zu Zeiten als Zucker noch Luxus ist, avanciert eine derart süße Frucht schnell zum Statussymbol. Und weil sie lange Zeit schwierig zu transportieren und in Europa zu züchten ist, bleibt sie Fürsten und Königen vorbehalten.
Noch im 18. Jahrhundert kostet eine einzige Ananas so viel wie eine Kutsche. Gedichte werden über sie geschrieben, Herrscher lassen sich mit ihr portraitieren, ein schottischer Lord baut sich ein ganzes Sommerhaus in Form der Frucht. Wer in Europas Adel etwas auf sich hält, zeigt das - mit Ananas. Du isst, was du bist eben.
Die Tragik daran: Der tiefe Fall der Ananas. Einst verehrt und verzehrt als glamouröseste Frucht der Welt. Heute in Massen eingesperrt in Dosen, nur die Zuckerlösung hält das Scheibenobst scheinbar am Leben. Große Plantagen auf Hawaii, das Einlegen in Konserven und moderne Transportschifffahrt machen der aristokratischen Ananas im 19. Jahrhundert den Gar aus. Am Ende ist der verrufene Scheiblettenkäse auf dem Hawaiitoast nur ein Deckmantel. Einer, der gnädig die traurige Geschichte der Ananas darunter verbirgt.