23. November 1889 Louis Glass stellt ersten Musikautomaten mit Münzeinwurf auf
Selber einmal DJ sein, die Tanzfläche zum Beben bringen mit der ureigenen Musikauswahl, Bestimmer am Plattenteller – für eine Mark konnte man das früher haben. Geld rein und Musikautomat an. Autorin: Anja Mösing
23. November
Freitag, 23. November 2018
Autor(in): Anja Mösing
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Es konnte todespeinlich sein! Todespeinlich!
Einmal aus Versehen G-6 statt G-5 gedrückt. Und schon waren drei Minuten öffentlicher Qualen garantiert. Mindestens! Dann hagelte es ironische Kommentare wie:
"Sauber! Weiße Rosen aus Athen! Echt gut! Das drückst gleich nochmal, oda? "
Und solche Kommentare kamen quer durchs Lokal. So laut, dass jeder hören konnte, wie blöd einer die Musik fand, die grad aus den Lautsprechern dröhnte.
Verwählt?!?!?!
Es konnte aber auch ruppiger werden. Viel ruppiger! Für die falsche Musikauswahl sollen schon Menschen erschossen worden sein: Dreimal hintereinander die gleiche Erz-Schnulze, da kann einer mit dünnen Nerven schon wild werden! Wo eine Jukebox stand, war der Umgangston meist nicht grad zimperlich und die Luft oft dick von Zigarettenqualm. Auch damals, in den Siebzigerjahren, als die goldenen Zeiten der Musikbox schon ziemlich vorbei waren. Da stand sie grad noch in Bahnhofswirtschaften und ähnlich verstaubten Spelunken.
Zum Musikhören und Tanzen gingen die jungen Leute da schon in Diskos. Aber gewitzte Gastwirte wussten immer noch, was sie an den chromglänzenden Kästen hatten: Einen Anteil vom Umsatz natürlich und dann standen die nicht bloß groß und leuchtend im Raum; die Musikbox zog Menschen magisch an. Wie am geöffneten Kofferraum standen sie da und schauten ewig auf die langen Reihen von Musiktiteln. Neue Hits wurden alle paar Wochen dazu sortiert. Und Platten, die der Wirt für sein Lokal behalten wollte, blieben drin, solange er wollte. Gerade wenn es was zu feiern gab, war das verdammt praktisch. Da mussten nicht erst Musiker engagiert werden:
die Gäste konnten ihre Musik zum Schwoofen selbst bestimmten.
Schnäppchen-Titel und Edel-Platten
Für eine Mark durfte man gleich drei Titel aussuchen. Mit der außen gedrückten Tastenkombination aus Buchstabe und Zahl fand der Automat dann innen die richtige Platte. Zu beobachten, wie sie in der Box aufgelegt wurde – allein das war schon klasse. Dann dazu zu tanzen oder den Text aus voller Kehle mit zu singen oder beides – noch besser!
An so ausgelassenes Treiben war überhaupt nicht zu denken, als der allererste Musik-Münz-Automat präsentiert wurde: am 23. November 1889. Der amerikanische Erfinder Louis T. Glass hatte sich dazu zwar den Royale Saloon in San Francisco ausgesucht und vielleicht wäre Tanzen dort sogar erlaubt gewesen. Aber die Musik aus dem stattlichen Eichenholzschrank konnte nur hören, wer zuerst eine Münze einwarf und sich dann einen der vier Hörschläuche in seine Ohren steckte. Wie mit einem Stethoskop war man so mit der knisternden Wachswalze im Inneren verbunden. Obwohl es nur einen Musiktitel pro Kiste gab, wurde schon diese erste Kiste, die Musik auf Wunsch lieferte, ein großer Erfolg.
Und als in den 1920ern die Erfindung des Verstärkers aus dem stillen Hörvergnügen ein lautes und wildes machte, gehörte die Musikbox in den USA bald zu jedem Straßenlokal und jeder Eisdiele. Und die Lust, einen Song auszuwählen, konnte nur durch eins gebremst werden: aus Versehen, den falschen zu tippen.