11. Mai 1936 Prozess gegen Lucky Luciano beginnt
Manchmal muss es von hinten durch die Brust ins Auge gehen. Kompliziert gestalten sich die Ermittlungen gegen den Mafia-Boss Lucky Luciano, zu viele Menschen sind verstrickt in seine dubiosen Machenschaften, auch Politiker. Am Ende aber kommt Lucky doch hinter Gitter, für sehr lange. Autorin: Ulrike Rückert
11. Mai
Donnerstag, 11. Mai 2023
Autor(in): Ulrike Rückert
Sprecher(in): Christian Baumann
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Um das Gerichtsgebäude in Manhattan wimmelt es von Polizisten. Drinnen halten sie Maschinenpistolen und Tränengasbomben bereit für den Fall, dass die Mafia eine Gefangenenbefreiung versuchen sollte. Lucky Luciano verdeckt die Fesseln an seinen Handgelenken mit seinem Hut, als er ins Gericht geführt wird. Hinter ihm trotten mürrisch die zwölf Mitangeklagten.
Kein Glück für Lucky
Zuhälterei in neunzig Fällen warf ihnen Thomas Dewey vor, der Sonderankläger für die Bekämpfung des organisierten Verbrechens. Vier Staatsanwälte waren bei der Prozesseröffnung am 11. Mai 1936 im Saal. Nicht dabei war die Frau, ohne die es zu dieser Anklage gar nicht gekommen wäre: Eunice Carter.
Als er die schwarze Anwältin aus Harlem einstellte, hatte Sonderankläger Dewey eigentlich den Gangsterboss Dutch Schultz im Visier. In Harlem betrieb Schultz eine lukrative Lotterie. Carter hatte kaum zu ermitteln begonnen, als Schultz erschossen wurde. Dewey wandte seine Aufmerksamkeit also Lucky Luciano zu. Er wusste, dass Luciano einer der großen Bosse war, aber er hatte keine Idee, wie er ihn festnageln könnte.
Der Justiz ins Netz gegangen
Inzwischen ging Eunice Carter einem eigenen Verdacht nach. Sie hatte für kurze Zeit am Frauengericht gearbeitet, das hauptsächlich Fälle von Prostitution verhandelte. Kaum eine der Angeklagten wurde verurteilt, und sie vermutete organisierte Bestechung.
Sie begann zu recherchieren, studierte Anzeigen und Beschwerden, wühlte sich durch Gerichts- und Polizeiakten und war bald überzeugt, dass eine Gang die ganze Szene kontrollierte.
Dewey wollte von Prostitution nichts hören. Der Job als Gangsterjäger sollte ihn die Karriereleiter hinaufkatapultieren. Er war auf die großen Fische aus und auf mächtige Politiker, die von ihnen geschmiert wurden. Was er auf keinen Fall wollte, war das Image eines Moralkreuzzüglers.
Aber Carter ließ nicht locker, und es gab da eine lose Verbindung zwischen einem Zuhälter, eine Kumpan von Luciano und einem Politiker, der mit Luciano gesehen wurde. Dewey gab ihr grünes Licht. Sie konnte Polizisten einspannen und Telefone abhören.
Ein paar Wochen später hatte Eunice Carter ein Organigramm der Prostitution in Manhattan. Nun brauchten sie mehr Beweise, und das Schwierigste würde sein, dem Boss an der Spitze etwas nachzuweisen. Dewey gelang hier ein spektakulärer Schlag: binnen Stunden verhaftete die Kriminalpolizei die gesamte Führung des Rings und am Abend desselben Tages rund hundert Frauen bei Razzien in Bordellen. Er hielt sie alle im Gefängnis fest, und in endlosen Verhören setzte sein Team die Teilchen zusammen und bekam die Aussagen, mit denen Dewey schließlich auch Lucky Luciano verhaften und anklagen konnte.
Der Prozess endete mit dem Urteil "schuldig". Luciano wurde zu dreißig bis fünfzig Jahren Haft verurteilt. Thomas Dewey brüstete sich damit, den "größten lebenden Gangster in Amerika" hinter Gitter gebracht zu haben. Einige Jahre später wurde er Gouverneur von New York.
Als Gouverneur unterschrieb er 1946 eine Strafumwandlung für Lucky Luciano. Er wurde freigelassen und nach Italien deportiert. Der Grund dafür ist unklar.