13. November 1928 Max-Reinhardt-Seminar in Schönbrunn gegründet, Schauspielschule
"Wahr" und "wesentlich" wünschte sich Max Reinhardt seine Schauspielschüler. Sein Max-Reinhardt-Seminar in Schönbrunn wurde weltberühmt. Autorin: Justina Schreiber
13. November
Freitag, 13. November 2020
Autor(in): Justina Schreiber
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Vorhang auf für den größten Impresario aller Zeiten, den begnadeten Intendanten und Regisseur Max Reinhardt, mit Fug und Recht auch der "Theatrarch" genannt! Sage und schreibe 13 verschiedene Theater hob er im Laufe eines Vierteljahrhunderts aus der Taufe. Angefangen mit dem Schall-und-Rauch-Theater unter den Linden in Berlin bis zum Theater in der Josefstadt in Wien: lauter Häuser, die er mittels Um-, An- oder Neubauten und innovativen Inszenierungen in angesagte Tempel der Schaulust verwandelte.
"Nationalvermögen des Geistes und der Schönheit zu vermehren"
Und jetzt weckte man also auf seine Initiative das Schönbrunner Schlosstheater aus dem Dornröschen-Schlaf, um hier eine seiner überraschenden Ideen zu realisieren. Die Eröffnung der neuartigen Schauspiel- und Regieschule, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg den Namen Max-Reinhardt-Seminar erhielt, fand am 13. November 1928 statt. Im Parkett saß die Wiener Prominenz. Das Orchester der Musikakademie spielte Beethovens „Egmont“-Ouvertüre. Und der Rektor der übergeordneten Universität für Musik und darstellende Kunst bekräftigte den allgemeinen Willen, "das österreichische Nationalvermögen des Geistes und der Schönheit zu vermehren". Dann trat Max Reinhardt persönlich ans Rednerpult. Der heutige Abend sei ihm eine traumhafte Erfüllung, meinte der 55-jährige Regisseur, der auf dem Höhepunkt seiner Karriere stand. Auch wenn er zuvor schon viele Abende als Erfüllung empfunden haben mochte… Schließlich tat er ja nie etwas anderes als Träume wahr werden zu lassen, schöne und schlimme, eigene und andere, ob er nun Shakespeares "Sommernachtstraum" inszenierte oder Frank Wedekinds "Frühlings Erwachen" zur Uraufführung brachte… Doch hier im Schönbrunner Schlosstheater schloss sich für ihn ein ganz besonderer Kreis. Hatte der kleine Max nicht einst auf dem Balkon der elterlichen Wohnung an der Schönbrunner Straße seine ersten dramaturgischen Inspirationen empfangen? Wie in einer Theaterloge genoss der Bub die prunkvollen Aufmärsche, die von der kaiserlichen Hofburg zur Sommerresidenz nach Schönbrunn direkt unten am Haus vorbeizogen.
Die Farben, die Musik, die Uniformen. Überhaupt der Kaiser, aber auch die Donau, die Volkssänger, der Prater und der Wein!
Wahr und wesentlich
Das Wien der k. und k. Zeit mit seinem walzerseligen Tamtam wirkte in Reinhardt wohl wie der perfekte Fantasiebeschleuniger, während der Umzug des jungen Mannes ins coole, freche Berlin dann die Umsetzung der inneren Bilder ermöglichte. Wobei er jedem einzelnen Mitglied seiner verschiedenen Ensembles viel zu verdanken hatte. Versuchte er doch aus Allen das Letzte oder Beste herauszuholen. Nicht Verstellung sei die Aufgabe eines Schauspielers, so fasste Max Reinhardt seine Regieanweisungen zusammen, sondern Enthüllung selbst der tiefsten seelischen Abgründe: Seien Sie wahr! Werden Sie wesentlich!" Stürmischer Beifall folgte seiner Rede in Schönbrunn. Unvorstellbar, dass schon fünf Jahre später die Reinhardtschen Festspiele ein brutales Ende finden sollten. Adolf Hitler ließ den Berliner Besitz des weltberühmten jüdischen Künstlers enteignen und zwang ihn ins Exil. Aus der Traum.