21. Oktober 1997 Mercedes A-Klasse versagt beim Elchtest
Von der Piste gepurzelt: Als schwedische Autotester am 21. Oktober 1997 einen Mercedes der brandneuen A-Klasse aufs Dach legten, geriet der Großkonzern ins Schleudern. Der Elch war schuld und der Ruf der A-Klasse war beschädigt, obwohl sie mit dem Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) nachgerüstet wurde. Autorin: Prisca Straub
21. Oktober
Freitag, 21. Oktober 2022
Autor(in): Prisca Straub
Sprecher(in): Ilse Neubauer
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Ein Elch war gar nicht schuld. Er war nicht mal beteiligt. Die Mercedes A-Klasse purzelte von ganz allein aus der Kurve. Bei einem Routinetest in Schweden. Und brachte den Weltkonzern ins Schlingern.
Es ist der 21. Oktober 1997: Auf einem abgesperrten Gelände in der Nähe von Stockholm sind Fahrzeug-Tester auf der Suche nach dem "Auto des Jahres". Mercedes kann die Auszeichnung gut gebrauchen - gerade ist die A-Klasse auf den Markt gekommen. Mit dem rundlichen Mini-Star will man in die Kompaktklasse vorstoßen. Der frontgetriebene Newcomer verspricht Erstklassiges. Die ersten 100.000 Fahrzeuge sind bereits ausgeliefert.
Mercedes A-Klasse - eine Heck-Schleuder
Doch dann ist innerhalb weniger Minuten alles hin - der Newcomer ebenso wie der gute Ruf. Es ist nur ein unspektakulärer Ausweichtest um ein paar bunte Gummihütchen, erst nach links, dann nach rechts, gerade mal bei Tempo 60, voll beladen. Doch schon nach wenigen Lenkbewegungen reißt die Mercedes A-Klasse aus, balanciert gefährlich auf zwei Rädern - kippt - und bleibt schließlich liegen, auf dem Dach. Die Teststrecke - voller Glassplitter, die Karosserie - zerbeult. Die drei Insassen kommen mit Schnittwunden und dem Schrecken davon.
Weltkonzern Mercedes in Erklärungsnot
Was für ein Fehlstart. Bilder der unkontrolliert taumelnden A-Klasse gehen um die Welt. Fröhlich begleitet von schadenfrohem Gelächter, als auch noch der Begriff Elchtest auftaucht - der neue Inbegriff für eine Superpleite. Spontan duckt sich die Führungsetage in Stuttgart reflexhaft weg, dann nimmt sie Anlauf, das Desaster herunterzuspielen.
Doch die offensichtliche Schwäche des inzwischen auch "Purzel" genannten Wagens lässt sich beim besten Willen nicht kleinreden.
Dann - die Kehrtwende: Um die kullernde A-Klasse doch noch zu retten, startet Mercedes eine Rückrufaktion. Der hohe Schwerpunkt des Fahrzeugs wird abgesenkt. "Purzel" bekommt härtere Reifen, andere Federn - und serienmäßig, was die Nobelklasse ohnehin schon hat - eine Nachrüstung mit dem Schleuderschutz ESP. Das "Elektronische Stabilitätsprogramm" verhindert Schlinger-Bewegungen schon im Ansatz.
Die Flucht nach vorn ist erfolgreich. Der Wirbel um den "kleinsten Kipper der Welt" macht aus ihm doch noch einen echten Kurven-Star. Aus dem Imageschaden ist ein Verkaufsargument geworden. Der Konzern kann es sich sogar leisten, seinen A-Kunden augenzwinkernd putzige Plüsch-Elche zu überreichen.
Übrigens: Das berühmte Fahrmanöver, das angeblich nachstellt, wie man einem Elch auf der Straße ausweichen würde, heißt in Schweden gar nicht Elchtest. Sondern Kindertest. - Einen echten Elchtest gibt es allerdings auch, nur nicht auf einer Auto-Teststrecke, sondern im Stockholmer Zoo. Die schwedische Straßenverwaltung überlässt dabei den breitnasigen Publikumslieblingen die Auswahl des neuen Streusalzes. Geschmack entscheidet. Bei diesem Elchtest wird nämlich die Zusammensetzung ermittelt, die den Tieren am wenigsten schmeckt. Damit ihre wilden Verwandten im Winter nicht zum Schlecken auf die Straße laufen. Auch das eine Frage der Verkehrssicherheit.