4. März 1934 Mit dem "Tatra 77" erstes stromlinienförmiges Auto präsentiert
Manche Autos schreiben Geschichte. Die einen rühmliche, die anderen solala. Dem Tatra 77 geht es so. Gerühmt als technisches Wunder, gibt er ein kurzes Zwischenspiel. Macht nichts, die Grundidee ist gut. Autor: Hellmuth Nordwig
04. März
Montag, 04. März 2019
Autor(in): Hellmuth Nordwig
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Ein Tunnel, der Europa und Amerika verbinden soll - da kann beim Bau einiges schiefgehen. Tut es natürlich auch, im britischen Film "The tunnel" von 1935. Über die unfassbar schlecht geschriebene Handlung wollen wir hier hinwegsehen. Uns interessieren die Autos, in denen die Männer in dem Film gefahren werden. Zum Beispiel ein Herr im tadellosen Zweireiher, der eine Zigarette aus dem Etui klopft und sie nicht mehr aus dem Mund nimmt. Dort bleibt sie auch, als sein Chauffeur den Fond öffnet - und der Vornehme leblos aus dem Wagen kippt.
Immer abfahrbereit
Der Motor läuft natürlich weiter in dieser Szene. Und das gibt uns ein paar Sekunden lang die Gelegenheit, dem Klang des Tatra 77 zu lauschen. Wie ein alter Traktor tuckert der luftgekühlte Achtzylinder Drei-Liter-Motor, dang dang dang dang dang dang ... Schließlich reagiert der Chauffeur, und an dieser Stelle klinken wir uns aus. Halt, ein Detail noch: Der Fahrer ist auf der rechten Seite ausgestiegen. Dort ist auch sein Lenkrad. Denn der Tatra 77 stammt aus der Tschechoslowakei, und dort herrscht damals Linksverkehr. "In Prag wird links gefahren!", werden Schilder ein paar Jahre später die deutsche Wehrmacht ermahnen. Damit der Besatzung keine dummen Unfälle im Weg stehen.
Achtung. andersrum!
Die Tatra-Werke stellen ihr Modell 77 am 4. März 1934 auf dem Prager Automobilsalon vor. Es sieht völlig anders aus als die Kästen auf Rädern, die es bis dahin gibt. Zum ersten Mal haben Ingenieure im Windkanal die optimale Form eines Automobils ausgetüftelt. Derart stromlinienförmig, dass selbst die meisten heutigen Fahrzeuge mehr Windwiderstand aufweisen. Heraus kommt eine abgerundete Front, in die die Scheinwerfer direkt integriert sind, statt sie, wie bis dahin üblich, außen anzuschrauben. Und ein schnittiges, nach hinten flach zulaufendes Heck, das aussieht wie eine Haarmähne im Wind und das Auto über fünf Meter lang macht.
Ein paar Tage später präsentieren die stolzen Entwickler es in Berlin - einem Mann, der bald darauf zum "Führer und Reichskanzler" ernannt werden wird.
Freilich muss man den feschen Wagen auch fahren können. Und das ist alles andere als einfach. Um die Stromlinienform zu wahren, haben die Ingenieure den schweren Motor nämlich ins Heck verlegt. So liegt der Schwerpunkt des Wagens ganz hinten. Eine Heckflosse wie auf dem Rücken eines Fischs sorgt für Stabilität, sonst würde die Front des Autos schon durch Seitenwind aus der Spur getragen. Aber auch, wenn der Fahrer eine Kurve recht schneidig nimmt, schlägt das Heck aus, wenn die 30er-Jahre-Reifen die Haftung verlieren. Das soll später gerade einigen deutschen Militärs in der Tschechoslowakei so gegangen sein, schreibt der Londoner "Telegraph", und versteigt sich zur Behauptung, der Tatra 77 sei eine "Geheimwaffe der Alliierten" gewesen.
Nun, das war er sicher nicht, doch einfach nicht ausgereift genug, um lange Zeit hergestellt zu werden. Nur 101 Exemplare haben die Tatra-Werke produziert. Aber dass man Autos windschnittig bauen kann, diese Idee hat sich durchgesetzt.