Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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Kalenderblatt Welt-älteste Topfpflanze wird in London umgetopft

Francis Masson, Pflanzensammler für die Britischen Krone, verschifft in den 1770ern einen Palmfarn von Südafrika nach London. Noch heute steht das Gewächs in den Kew Gardens. Die Kübel-Pflanze wächst zwar nur rund zwei Zentimeter pro Jahr. Muss sie umgetopft werden, rückt schweres Gerät an. Autorin: Prisca Straub

Stand: 29.07.2024 | Archiv

29.07.2024: Welt-älteste Topfpflanze wird in London umgetopft

29 Juli

Montag, 29. Juli 2024

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Caroline Ebner

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Ein palmartiger Schopf aus zart-grünen Wedeln. Kein aufsehenerregendes Gewächs, aber Pflanzensammler Francis Masson hat das kleine Büschel trotzdem ausgegraben - und in eine selbstgezimmerte Holzkiste gepflanzt. Bald steht der junge Palmfarn festgezurrt und reisefertig an Deck. Er wird einiges aushalten müssen, wenn er vom Kap der Guten Hoffnung an die britische Themse segelt - zusammen mit über 300 anderen Pflanzen, die Masson auf seiner Expedition eingesammelt hat. In seiner Kollektion befinden sich so spektakuläre Geschöpfe wie die fleischig-rote "Seesternpflanze" aus der Karoo-Wüste - und eine Paradiesvogelblume: Ihre extravagant schillernde Blüte in Form eines Kranichkopfs wird das britische Königshaus in entzücktes Staunen versetzen. Von dem unscheinbaren Palmfarn hingegen nimmt niemand Notiz. 1775 kommt er in den neu gegründeten Royal Botanical Gardens in Kew bei London unter - und bleibt dort zunächst völlig unbeachtet.

Palmfarn - älter als die Dinosaurier

Dass die exotische Wedel-Pflanze die strapaziöse Überfahrt so unbeschadet überstanden hat, ist allerdings kein Zufall. Denn: Encephalartos altensteinii, ein Vertreter der Palmfarne aus der Gattung der Brotpalmfarne, ist extremausdauernd. Als Überlebenskünstler bevölkert er die Erde schon seit rund 300 Millionen Jahren. Er hat alle Aussterbewellen auf dem Planeten problemlos überstanden und auch die Dinosaurier kommen - und wieder gehen sehen. Kein Wunder also, dass er sich auch mit Nährstoffarmut, Hitze und Trockenheit arrangiert.

Gut 70 Jahre später: Um die königlichen Pflanzen aus Übersee besser durch die kalte Jahreszeit zu bringen, ist im Botanischen Garten an der Themse ein gigantisches Palmenhaus entstanden: ein 80 Meter hoher verglaster Wintergarten mit Fußbodenheizung und Sprinkleranlage - eine Weltsensation. Als einer der ersten Bewohner zieht der Palmfarn Encephalartos in die neue Klimazone ein!

An Umfang hat er in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugelegt. Die farnartige Wedelkrone sprießt inzwischen aus einem Stamm von Ananas-artigem Aussehen. Und da Encephalartos mit nur rund zweieinhalb Zentimetern pro Jahr so geduldig und anspruchslos weiterwächst, schneiden ihm nachfolgende Gärtner-Generationen nur hin und wieder mal ein welk gewordenes Fiederblatt aus dem dichten Schopf. Im immergrünen Palmenhaus scheint die Zeit stillzustehen - bis sich am 29. Juli 2009 hektische Anspannung breit macht.

Gigantischer Wurzelballen

Schweres Gerät fährt auf. Lärmend wird eine Hebebühne errichtet. Etliche Arbeiter schwitzen in der feuchten Tropenlandschaft. Denn: Encephalartos, die mit über 230 Jahren inzwischen wohl älteste Topfpflanze der Welt - muss umgetopft werden. Sie ist jetzt an die viereinhalb Meter groß und wiegt rund eine Tonne. Der graugrüne Stamm, schuppig wie ein altes Reptil, kann sein eigenes Gewicht schon lange nicht mehr tragen - und ruht vornübergebeugt auf Metall-Stelzen. Vorsichtig wird der neue Topf aus Tropenholz um den gigantischen Wurzelballen herumgebaut. Encephalartos ist jetzt so gut wie ausgewachsen, aber hochbetagt - ist der Palmfarn noch lange nicht. Er kann 500 Jahre alt werden.


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