2. Mai 1936 Peter und der Wolf uraufgeführt
Ein musikalisches Märchen, in dem jedes Tier sein eigenes Instrument spielen darf - das war der Traum der Theaterdirektorin Natalija Saz. In die Wirklichkeit setzte ihn Sergej Prokofjew um. Bis heute erleben Peter und der Wolf ihre vertonten Abenteuer auf den Bühnen weltweit. Autorin: Anja Mösing.
02. Mai
Montag, 02. Mai 2022
Autor(in): Anja Mösing
Sprecher(in): Ilse Neubauer
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Es hätte stinklangweilig werden können! Und zwar sowas von!
Wurde es aber nicht. Im Gegenteil!
Es wurde ein Meisterwerk: ein bezauberndes und lustiges.
Ging vielleicht auch gar nicht anders. Einfach, weil zwei Besessene daran zusammenarbeiteten: Nummer Eins war eine junge Frau, die auch Mutter des Kindertheaters genannt wird. Sie war die Auftraggeberin des Werks und hieß Natalija Saz. Verdammt charismatisch muss sie gewesen sein, schon immer, diese Direktorin des Moskauer Theaters für Kinder. Mit unfassbaren 15 Jahren durfte Natalija das Theater selbst gründen. Sie überzeugte die Zuständigen einfach, die Richtige dafür zu sein. In den Jahren der Oktoberrevolution waren erstaunliche Dinge möglich.
Früh selber anpacken - und dann alles richtigmachen
In den 30er Jahren hatte ihr Kindertheater sogar ein eigenes Haus direkt neben dem ruhmreichen Bolschoi-Ballett. Und Frau Saz wurde inzwischen von Berlin bis Buenos Aires auch als erste weibliche Opernregisseurin gefeiert. Nun waren sie selbst und ihr Theater so berühmt, dass andere große Künstler nur zu gern die Vorstellungen besuchten. Mit und ohne Kind.
Einer war Sergej Prokofjew. Nach der Oktoberrevolution hatte er sein Land verlassen, als junger Star, hochtalentiert und gefeiert. Damals galt er als russisches Enfant Terrible unter den modernen Komponisten Europas. Er liebäugelte inzwischen aber mit einer Rückkehr nach Moskau. Als er mit seinen Söhnen wieder mal ins Kindertheater von Frau Saz kam, sprach sie ihn an. Nicht nur als Fan seiner Musik, sondern gleich als Auftraggeberin: Ein musikalisches Märchen hätte sie gern.
Eins, das nicht nur eine Geschichte erzählt, sondern vor allem die Instrumente eines Sinfonieorchesters erklärt.
Märchen + Musik!!!
Klingt gewagt, so ein Auftrag an einen, der für wilde, dissonante, eher schroffe Musik berühmt war. Aber Natalija Saz hatte Erfolg.
Und schon wurde Prokofjew der Besessene Nummer Zwei dieses Projekts. In wenigen Wochen standen Text und Komposition. Prokofjew veränderte das stark patriotische, gereimte Libretto der jungen Kinderbuchautorin Antonia Sakonskaja zu einem einfachen Märchentext, der ein bisschen an Rotkäppchen erinnert.
Als "Peter und der Wolf" am 2. Mai 1936 in Moskau uraufgeführt wurde, dirigierte Prokofjew und Saz stand als Erzählerin auf der Bühne. Text und Musik wechselten sich ab und trieben so die Geschichte voran. Gleich zu Beginn bekommt jede Figur der Geschichte ein eigenes Instrument zugeordnet und wird mit seinem eigenen musikalischen Motiv vorgestellt.
Sobald die Violinen ihr Motiv für den kleinen Peter spielen, legt sich heute noch ein Zauber über das Publikum: Und nichts außen rum ist mehr wichtig. Nur noch Peter und wie er zusammen mit dem kleinen Vogel und dem Kater den bösen Wolf fängt, der zuvor die tollpatschige Ente verschlungen hat. Und was man dabei geschenkt bekommt, ist etwas Großes: ein Ohrwurm aus lupenreinem, fröhlichem Optimismus.