26. Januar 1554 Ulrich Schmidl kommt heim, Straubinger Draufgänger
Bayern ist schön, aber manchmal zieht es einen doch in die Welt. Wie den Straubinger Ulrich Schmidl, der im 16. Jahrhundert mal eben Buenos Aires und Asuncion mitgründet, dann aber doch wieder heimreist. Autorin: Birgit Magiera
26. Januar
Freitag, 26. Januar 2018
Autor(in): Birgit Magiera
Sprecher(in): Ilse Neubauer
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Im Rathaus von Straubing hängt eine Gedenktafel, gestiftet von der argentinischen Regierung. Diese Tafel ist laut Inschrift gewidmet "a su primer historiador Ulrico Schmidl", also dem ersten Geschichtsschreiber von Argentinien: Ulrich Schmidl, - genannt Utz. Der kam aus Straubing und war Sohn des Bürgermeisters, Sprössling einer einflussreichen Patrizierfamilie. Wie kam der nach Argentinien?
Utz on Tour
Die Lebenszeit von Utz Schmidl: das sind die Jahrzehnte nach der Entdeckung Amerikas. Der Habsburger Kaiser Karl der V. herrscht über ein Reich, in dem die Sonne nie untergeht. Und Spanien und Portugal segeln um die Wette über den Atlantik und an den teils noch unentdeckten amerikanischen Küsten entlang, auf der Suche nach Gold und Silber und einer Passage nach Indien.
Der junge Schmidl aus Straubing hat als Büchsenschütze auf einem der Schiffe angeheuert. Zusammen mit 1.600 anderen Landsknechten segelt er Richtung Brasilien, unter dem Kommando des Spaniers Pedro de Mendoza. Er ist dabei, als Buenos Aires gegründet wird, segelt mehrere Flüsse weit hinauf ins Innere des Kontinents, gehört auch zu den Gründern von Asuncion, der heutigen Hauptstadt von Paraguay. Erst 20 Jahre später kommt Utz Schmidl zurück in seine niederbayerische Heimat: am 26. Januar 1554.
Dahoam is dahoam
Nach seinem Tod werden seine Aufzeichnungen veröffentlicht, unter dem Titel "Die wahrhafte Historie einer wunderbaren Schifffahrt".
Darin beschreibt er weniger Wunderbares, als vielmehr Verbrechen und Grausamkeiten gegen die Indianerstämme, und auch die lebensbedrohliche Hungersnot nach der Ankunft am Rio de la Plata. Nicht nur Schlangen und Ungeziefer landen im Kochtopf. Aus Verzweiflung essen viele sogar ihre Schuhe auf.
Schmidl berichtet, wie mehrere Soldaten heimlich, weil streng verboten, ein Pferd schlachten, erwischt werden und am Galgen landen. Wie sich daraufhin einige Kameraden nachts an den Leichen zu schaffen machen, um ihrerseits irgendetwas zwischen die Zähne zu bekommen und nicht hungers zu sterben. Und es bleibt laut Schmidl nicht der einzige Fall von Kannibalismus unter den Eroberern.
Diese Passagen aus dem Reisebericht waren aus Sicht von Staat und Kirche im 16. Jahrhundert höchst problematisch. Denn gerade der Verweis auf die Menschenfresserei der Indianer galt als Rechtfertigung, ja als Verpflichtung, diese zu fangen, zu versklaven oder zu töten. - Im Namen einer höheren christlichen Moral. Der jedoch jede Glaubwürdigkeit entzogen ist, wenn auch ein Christ zum Zweck des Energieausgleichs den anderen verzehrt.
Deshalb erwähnten auch kaum andere Geschichtsschreiber dieser Zeit solch ungeheure Vorgänge. Die meisten Chronisten waren schließlich als Priester, Mönche, Missionare nach Südamerika gereist und als solche den Interessen der Kirche verpflichtet. Das macht den Reisebericht des Soldaten Utz Schmidl kulturgeschichtlich umso wertvoller. Seine reiche Beute aus den Raubzügen der Conquista ging übrigens auf der Heimfahrt verloren. Und als bekennender Protestant wurde er später aus dem katholischen Straubing verbannt. Aber im dortigen Rathaus hängt seine Gedenktafel und in Buenos Aires, im Parque Lezama, steht eine Büste von Ulrico Schmidl, dem niederbayerischen Konquistador, Mitgründer zweiter Hauptstädte, dem ersten Geschichtsschreiber Argentiniens.