15. Mai 1986 Wildsau Luise verbeamtet, Drogenspürschwein
Nicht nur Drogenspürhunde, auch Wildschweine können den richtigen Riecher haben - für illegale Substanzen. Luise ist so versiert im Schnuppern, dass sie das erste Drogenspürschwein im Polizeidienst wird. Autorin: Prisca Straub
15. Mai
Freitag, 15. Mai 2020
Autor(in): Prisca Straub
Sprecher(in): Christian Baumann
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Erst Haschisch - und dann richtig harter Stoff: Schon im Alter von wenigen Wochen kann Luise den Geruch von Cannabis erkennen. Unermüdlich wühlt sich der Frischling durch Wurzeln, Sand und Gras, der kleine Pürzel dreht sich wie ein Propeller. Mit sechs Monaten gelingt es dem Wildschwein, Heroin und das nahezu geruchlose Kokain systematisch zu suchen und selbständig auszugraben.
Ein Schwein bei der Polizei
Ihre Ausbildung zur Drogenfahnderin war seine Idee: Werner Franke, Erster Polizeihauptkommissar und Leiter des Lehrbereichs Diensthundewesen der Polizei Niedersachsen. Doch seine Rauschgift-Hunde haben einen entscheidenden Nachteil: Bei großer Hitze geben Rottweiler und Schäferhunde schnell auf, sie geraten ins Hecheln. Wildschweine hingegeben schnüffeln und rüffeln unbeeindruckt weiter, egal bei welchem Wetter.
Hauptkommissar Franke hat Frischling Luise aus einem Kinderpark übernommen und trainiert sie auf seinem Dienstgrundstück: Die Bache klebt mit Feuereifer am Boden. Sie hat nicht nur Gedächtnis und Geruchssinn wie ein altgedienter Suchhund, sie lässt sich auch an der Leine führen und gräbt zielsicher bis zu zwei Spatenstiche tief. Mit ihren Team-Kollegen aus der Hundestaffel versteht die Sau sich prächtig. - Und nicht nur das: Sie ist auch noch völlig anspruchslos: Nach Feierabend genügt ihr ein Schlammbad im Ausbildungsrevier - und Luise grunzt zufrieden.
Schnüfflerin Luise soll gefeuert werden
Nur mit einem haben Suchtier-Ausbilder Franke und seine Dienstsau nicht gerechnet - mit den Dienst-Vorschriften. Im Lehrbereich Diensthundewesen der niedersächsischen Polizei ist ein Wildschwein als "Einsatzmittel" schlicht und einfach nicht vorgesehen. Es gibt keine Kennziffer!
Luise kann auf offiziellem Wege gar nicht abgerechnet werden! - Hauptkommissar Franke bekommt richtig Ärger: Aus welchen Mitteln er eigentlich Luises Unterhalt bestreite? Noch dazu auf einem Dienstgrundstück! Der übergeordnete Polizeidirektor ordnet an: Das Schwein ist "umgehend zu entfernen!"
Es sieht schlecht aus für Luise. Doch plötzlich dreht sich die Stimmung: Luise wird zum Politikum. Die Grünen haben Wind von der Sache bekommen, und bald hagelt es Protestschreiben. Die Forderung lautet: "Schweine in den Polizeidienst!"
Dann ist es tatsächlich so weit: Am 15. Mai 1986 verfügt der niedersächsische Innenminister: Luise wird in den öffentlichen Dienst übernommen. Sie darf jetzt hochoffiziell angefordert werden - "für Einsätze im Freien zur Suche nach verstecktem und vergrabenem Rauschgift!" Sie erhält das Kürzel SWS - Spür-Wild-Schwein - und ein Führungsgeschirr mit Hoheitsabzeichen der Polizei.
Luise ist jetzt - sozusagen - verbeamtet. Und ein Medien-Star. Sie galoppiert von Talkshow zu Talkshow. Als Werner Franke wenig später in Pension geht, nimmt er seinen borstigen Schützling mit. Doch vorher erhält die 150-Kilo-Sau noch eine weitere Auszeichnung - eine Ehrung durch den Bund der Steuerzahler: Luise ist "Sparschwein des Jahres", effizient und genügsam. Und: Sie geht ohne Pension in den Ruhestand! Ein idealer Beamter.