Bayern 2 - radioFeature


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Zwischen Kriegsende und neuer Bundesrepublik Das Leben ist jetzt herrlich hier!

Zerstörung, Vertreibung, vom Tod und Gefangenschaft zerrissene Familien - die Schrecken des Zweiten Weltkrieges waren unermesslich. Hilde und Elmar W. haben ihre Hoffnung auf einen Neuanfang nie aufgegeben. Die bewegenden Briefe während Elmars Kriegsgefangenschaft zeugen davon.

Von: Wilhelm Warning

Stand: 21.12.2009 | Archiv

Grossi mit ihrem Sohn (1945) | Bild: Privat

"Mein Liebster! Das Gefühl, von nun an ohne jeden inneren und äußeren Austausch sein zu müssen, allein den Dingen ins Auge zu sehen, ist sehr beschwerend. Wann sehen wir uns wieder? Wann werden wir wieder zusammen leben? Dass wir es tun werden, daran glaube ich fest und hoffe es innig."

Die Sehnsucht von der Seele schreiben

Auch die kleine Tochter Brigitte schreibt Briefe an den Vater in Gefangenschaft

Hilde ist Anfang 30 und ihr Leben liegt in Trümmern. Doch die Hoffnung mag sie nicht aufgeben. Während ihr Ehemann Elmar in letzte Gefechte verwickelt ist, verlässt Hilde mit den drei Kindern im Frühjahr 1945 die Heimat Stettin und flüchtet über mehrere Stationen zur Großmutter nach Wernigerode im Harz. Dort, im ersten Stock des Hauses über der putzigen Fachwerkstadt, schreibt sich Hilde ihre Sehnsüchte von der Seele, berichtet in Briefen an ihren Mann von ihren Hoffnungen und Verzweiflungen.

Auf eine Antwort wartet sie vergeblich. Sie weiß inzwischen, dass Elmar in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten ist, Ort und Lager aber kennt sie nicht. Trotzdem schreibt Hilde weiter: "Ich habe ungezählte Briefe an Dich abgesandt, lange, kurze, ausführliche, alles wohl Briefe, die Dich nicht erreichen werden, aber vielleicht doch, man muss Vertrauen haben." Briefe, gleichsam ins Nichts gesendet. Aber es steckt soviel Hoffnung in diesen Worten, die helfen, mit dieser schweren Zeit fertig zu werden.

Glaube an den Neuanfang

Erst im Januar 1946 kommt ein erster Brief des Kriegsgefangenen: "Meine Einzige, mein Hildchen! Welch ein Gefühl, an Dich zu schreiben! Nach neun Monaten! Wenn dieser Brief je in Deine Hände gelangt, dann trägt er die zartesten, liebevollsten, allerinnigsten Grüße und Gedanken an Dich! Lass Dich in die Arme nehmen, einzig geliebtes Weib! Es vergeht fast keine Nacht, in der ich nicht von Euch, Dir und den Kindern träume. Ich spüre, dass unsere Verbindung voller Kraft und Liebe ist und voll Hoffung und Glaube und Zukunftsfreude. Mir ist mit gerade 38 Jahren vor einem Neuaufbau nicht bange, zusammen mit Dir. Und wenn ich erst wieder bei Euch bin, dann wollen wir versuchen, es so einzurichten, dass soviel Zeit wie möglich uns beiden und den Kindern zur Verfügung steht."

Die in den Briefen aufkeimende Hoffnung auf einen gemeinsamen Neuanfang ist nicht vergebens: Im Januar 1948 kommt Elmar frei und findet ein halbes Jahr später in München eine Anstellung. Nach fünf schweren Jahren, die das Leben der gutbürgerlichen Großfamilie vollkommen durcheinandergewirbelt haben, kehrt endlich Ruhe ein: "Das Leben ist jetzt herrlich hier", schreibt Hilde in ihr Tagebuch. "Ich habe das Gefühl, in einem Haus zu wohnen, in dem mich Wärme und Liebe umgeben. Da kann man mit dem ganzen Herzen neu aufbauen."


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