Der österreichische Nationaldichter
Literatur und Musik | RS, Gy |
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Zwiespältig, der Mann wie sein Werk: Grillparzer ist trocken, sperrig, umschweifig, museal. Aber auch überraschend modern, bissig, psychologisch, raffiniert. Einer, der nicht auf Anhieb erobert, sondern langsam erobert sein will.
Der Zwiespalt bestimmt sein Leben. Er ist ein seltsam zerrissener Mensch, ein mürrischer Einzelgänger, weinerlich, wehleidig, selbstquälerisch, ungesellig. Ein Hypochonder, jemand, der ständig am eigenen Wert und eigenen Können zweifelt, leicht kränkbar, rasch eingeschnappt, überempfindlich. Mit Kritik, auch wohlwollender und konstruktiver, kann er nicht umgehen. Er empfindet sie als Angriff auf seine Person, als Herabsetzung, zieht sich schmollend zurück: Ein Sensibelchen, von Selbstzweifeln und Selbstanklagen zerfressen, das in der Stille seiner Tagebücher imaginäre Wunden leckt.
Aber da ist auch die andere Seite: Der geborene Künstler, der enthusiastische Kunstfreund, der hochmusische Klavier- und Geigenspieler, der stundenlang versunken und klangselig vor sich hin fantasieren kann, der scharfsichtige, scharfzüngige Beobachter. Und da gibt es vor allem den schrankenlos ehrgeizigen Dichter, der sich zu Höchstem berufen fühlt, zu unerhörten Gipfelwerken, die denen eines Shakespeare, eines Goethe und Schiller nicht nachstehen: Ein maßloser Narziss, der sich selbst Weihrauch streut und dessen Selbstverliebtheit keine Grenzen kennt.
Erst himmelhoch jauchzend, dann zu Tode betrübt
Zu einem harmonischen Ausgleich, einer stabilisierenden Integration finden beide Seite nicht. Sie lösen sich ab, folgen und befehden einander. Immer im Krieg, immer angespannt, nie wirklich versöhnt und glücklich sowieso nie. Als seine Dramen nach ersten rauschhaften Erfolgen nicht mehr gespielt werden, als man ihm Epigonentum und Unverständlichkeit vorwirft, siegt die Verbitterung. Grillparzer, seit jeher in freiwilliger Isolation lebend und schreibend, zieht sich mit knapp 50 Jahren völlig aus der Öffentlichkeit zurück. Fortan schreibt er nur noch unter Verschluss.
Sich selbst und der Welt ein Rätsel
Was er als eigentliches Drama, als Grundspannung seines Lebens empfindet, formuliert der 62-Jährige schonungslos hellsichtig in seinen Fragmenten einer Selbstbiografie": "So ist es mir aber mein ganzen Leben ergangen. Mißtrauen in mich selbst, wenn ich bedachte, was sein sollte und damit abwechselnder Hochmut, wenn man mich herabsetzen oder vergleichen wollte. Das ist aber der im Leben schädlichste Stolz, der nicht aus eigener Wertschätzung, sondern aus fremder Geringschätzung hervorgeht."