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Wissenschaft oder Glaube? Das Thema

Stand: 21.10.2010 | Archiv

Künstlerische Darstellung des bislang fernsten kosmischen Leuchtfeuers, eines sogenannten Quasars. | Bild: picture-alliance/dpa

Den Begriff "Evolution" (von lateinisch "evolvere": abwickeln, entwickeln) geht zurück auf den Schweizer Mediziner Albrecht von Haller (1708-1777), der ihn im Zusammenhang mit der Entwicklung des Menschen verwendete. Die heutige biologische Evolutionstheorie aber begründeten die britischen Naturforscher Charles Darwin (1809-1882) und Alfred Russell Wallace (1823-1913). Unabhängig voneinander entwickelten sie die Vorstellung einer Evolution, die auf Variation und Selektion beruht, und publizierten ihre Gedanken 1858 in einer Doppelveröffentlichung. Im Jahr darauf erschien Darwins bahnbrechendes Hauptwerk "Über den Ursprung der Arten durch natürliche Auslese oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampf um das Dasein", in dem er die Prinzipien der Evolution beschrieb, wie sie seitdem, von der Wissenschaft im Wesentlichen bestätigt wurden. Die Bezeichnung Evolution für die Entwicklung der Arten prägte allerdings der Schriftsteller und Philosoph Herbert Spencer (1820-1903). Daneben spricht man unter anderem von einer kosmischen oder physikalischen Evolution im Hinblick auf die Entstehung des Universums und von einer chemischen Evolution, die zur Bildung organischer Verbindungen führte und damit zur Voraussetzung für die Entstehung von Leben.

Darwins Weltreise

Wesentliche Anregungen für seine Theorie zur Entstehung der Arten erhielt Darwin an Bord des Forschungsschiffs "Beagle", auf dem er zwischen 1831 und 1836 an einer Expeditionsfahrt zu den Küsten Südamerikas teilnahm. Vor der Reise hatte Darwin angenommen, dass die Arten unabhängig voneinander geschaffen worden waren, mit den Eigenschaften, die sie in ihrer Umwelt brauchten. Nach der vorherrschenden Meinung war er davon ausgegangen, dass die Arten unveränderlich seien. Doch die Auswertungen der Funde und der Beobachtungen der Tier- und Pflanzenwelt, die Darwin während der Reise gemacht hatte, ließen ihn umdenken. Es stellte sich heraus, dass ausgestorbene Arten, von denen Darwin Fossilien aus Südamerika mitgebracht hatte, in ihrem Körperbau nah verwandt waren mit dort lebenden Arten. Und die später nach Darwin benannten Finken verschiedener Galapagosinseln, die er während der Reise studiert hatte, erwiesen sich bei genauer Untersuchung als unterschiedliche Arten, die von einer ursprünglichen Population abstammten.

Über die Entstehung der Arten

Charles Darwin

Vor diesem Hintergrund begann Darwin nach der Reise seine grundlegende Evolutionstheorie zu entwickeln, die er schließlich 1859 in seinem Buch über die Entstehung der Arten veröffentlichte. Darwin war nun sicher, dass die Arten veränderlich sind und sich im Laufe von Jahrmillionen aus einem oder wenigen gemeinsamen Vorfahren entwickelt haben, simplen einzelligen Urlebewesen, die aus unbelebter Materie hervorgingen. Zur treibenden Kraft für den Wandel der Arten erklärte Darwin wie Alfred Russell Wallace die natürliche Auslese, die Selektion. Inspiriert durch ein Buch des britischen Nationalökonomen Robert Malthus (1766-1834) zum Zusammenhang von Nahrungsmittelversorgung und menschlichem Bevölkerungswachstum ging Darwin davon aus, dass unter den Angehörigen einer Art ein Kampf um das Dasein herrscht. Die von Darwin erkannte Einzigartigkeit der Individuen einer Art, ihre Variation, führte ihn zu der Theorie, dass in einer Fortpflanzungsgemeinschaft (Population) diejenigen unter ihnen überleben und sich mit größerem Erfolg fortpflanzen, die dank ihrer Eigenschaften am besten an ihre Umwelt angepasst sind. So dass es durch die Auslese von individuellen Variationen schrittweise zur Veränderung von Arten kommt, und im Lauf großer Zeiträume neue Gattungen, Familien und Ordnungen entstehen.

Darwins Erbe - Evolutionstheorie heute

Bis heute ist Darwins Lehre von der Abstammung der Arten Grundlage der Evolutionsbiologie. Zwar gilt Darwins Annahme, Individuen könnten zu Lebzeiten erworbene körperliche Eigenschaften an ihre Nachkommen vererben, die er von dem französischen Zoologen Jean-Baptiste de Lamarck (1744-1829) übernahm, als widerlegt. Doch die von Darwin erkannte gemeinsame Abstammung der Arten von primitiven Urformen und das von ihm formulierte Prinzip der Anpassung und Veränderung der Arten durch die Auslese von individuellen Variationen konnte durch die moderne Wissenschaft bestätigt werden. 1943 wurde nachgewiesen, dass die Desoxyribonukleinsäure (englisch: desoxyribonucleic acid, abgekürzt DNA) Träger der Erbinformation der Lebewesen ist. 1953 stellten der Amerikaner James Dewey Watson (1928) und der Brite Francis Harry Compton Crick (1916-2004) die räumliche Struktur der DNA im Modell dar. Fünf Jahre später folgte der Nachweis dafür, dass sich die DNA bei der Zellteilung verdoppelt. Hinzu kamen Erkenntnisse darüber, wie erbliche Veränderungen, Mutationen, der DNA entstehen, und wie die Rekombination väterlicher und mütterlicher Erbanlagen bei der sexuellen Fortpflanzung erfolgt. So wies die Forschung nach Darwin auf molekularer Ebene nach, wie durch erbliche Mutationen und durch die Neukombination von Erbgut unterschiedliche Individuen einer Population entstehen und damit die Voraussetzungen für eine Selektion der Anpassungsfähigsten unter ihnen. Die Tatsache, dass die DNA der Lebewesen chemisch einheitlich zusammengesetzt ist, unterstützt Darwins Annahme, dass sie alle eine gemeinsame Abstammung haben. Vergleiche der DNA-Sequenz von Menschen und Schimpansen zeigen eine Übereinstimmung von fast 99%, was Darwins Annahme von einem direkten gemeinsamen Vorfahren bestätigt. Erst jüngst wurden regulatorische Gene entdeckt, die die Ausprägung der Anatomie steuern. Ihre evolutionäre Veränderung liefert einen Schlüssel zum Verständnis für die Entstehung der verschiedenen Formen bei Tieren. Daneben belegen Fossilienfunde Übergänge etwa von den Reptilien zu den Vögeln.

Der Kreationismus

Der Begriff Kreationismus, abgeleitet von dem lateinischen Wort creare für "erschaffen", steht für die Überzeugung, dass das Universum, die Erde und das Leben die Schöpfung Gottes sind. Die Grundlage dieser Auffassung ist die wörtlich verstandene biblische Schöpfungsgeschichte. Auch das Alter der Erde wird von Kreationisten aus der Bibel abgeleitet und mit etwa 6.000 bis 10.000 Jahren angegeben anstelle der wissenschaftlich ermittelten 4,6 Milliarden Jahre. Als Konsequenz ihrer Überzeugung zweifeln Kreationisten die biologische Evolutionstheorie an, die alles Leben auf der Erde auf einen gemeinsamen Ursprung zurückführt und die Entstehung der Artenvielfalt durch Mutation und Selektion, also durch natürliche und ziellose Vorgänge erklärt. Kreationistischen Vorstellungen zufolge geht die biologische Vielfalt auf einen oder mehrere göttliche Schöpfungsakte zurück. Für Kreationisten ist die Evolution eine Theorie neben anderen Ursprungslehren wie der biblischen Schöpfungslehre.

In den USA, wo der Kreationismus stark verbreitet ist, setzten sich seine Anhänger schon in den 1980er Jahren dafür ein, dass an Schulen neben der Evolutionstheorie auch ein "wissenschaftlicher Kreationismus" unterrichtet wird. In zwei Bundesstaaten konnten sie ihr Vorhaben durchsetzen, bis der Oberste Gerichtshof 1987 entschied, dass der "wissenschaftliche Kreationismus" als Religion nicht zum Biologieunterricht gehört. Auf eine Initiative von konservativen Christen hin wurde im Bundesstaat Kansas 1999 unter anderem die Evolutionstheorie aus dem verpflichtenden Lehrplan öffentlicher Schulen genommen. Auch in Deutschland sollte die Evolutionstheorie 2004 aus den Lehrplänen der Gymnasien gestrichen werden, bis Wissenschaftler mit einer Unterschriftenaktion das Vorhaben stoppten. Und 2007 forderte die hessische Kultusministerin, dass die biblische Schöpfungsgeschichte Thema des Biologieunterrichts wird. In dem für Schüler, Studenten und Lehrer verfassten Buch "Evolution - Ein kritisches Lehrbuch" stellen die Autoren Reinhard Junker und Siegfried Scherer die "Grundtypenbiologie" vor, "die im Rahmen der biblischen Schöpfungslehre motiviert und ausgearbeitet wurde". Als Grundtypen werden etwa "Hundeartige", "Pferdeartige" oder "Kernobstgewächse" genannt. "Die deutliche Abgrenzbarkeit von Grundtypen kann als Hinweis für die Existenz geschaffener Einheiten gewertet werden", heißt es in dem Buch. Die Vorstellung, die Grundtypen seien fertig von einem Schöpfer geschaffen worden, und aus ihnen hätten sich die heutigen Arten entwickelt, ist eine zentrale These des modernen Kreationismus.

"Intelligent-Design" - Bewegung und Evolutionskritik

Das klassische Prinzip, mit dem die Anhänger der Schöpfungstheorie deren Beweis antreten, geht auf den Theologen William Paley (1743-1805) zurück. Paleys Argumentation: Wer eine Uhr findet, geht davon aus, dass ein "Erbauer" sie geformt haben muss, weil sie so perfekt und offensichtlich für einen Zweck geschaffen ist. Also müssen komplexe lebende Organismen auch einen "Designer" gehabt haben. Entsprechend schloss einer der Begründer der modernen Kreationismusbewegung in den USA, der amerikanische Ingenieur H. M. Morris aus der Beobachtung von fliegenden Insekten, deren komplizierte Flugapparate könnten nicht durch Zufall entstanden sein. Und ähnlich argumentieren auch Vertreter der Theorie vom "Intelligent-Design" (ID), die Anfang der 1990er Jahre in den USA entstand. Statt von Gott ist in der ID-Theorie von einem "intelligenten Designer" die Rede, doch wird die Theorie als neue Form des Kreationismus betrachtet. Sie untersucht Lebewesen daraufhin, inwiefern sie auf einen intelligenten Designer hinweisen, der sie schuf. Anders als der klassische Kreationismus erkennen ID-Vertreter allerdings das wissenschaftlich ermittelte Erdzeitalter an.

Kritik an der Evolutionstheorie

Nach der Ansicht von Kreationisten und Vertretern der Intelligent-Design-Bewegung kann die Evolutionstheorie die Komplexität von Lebewesen und von Phänomenen wie etwa dem Auge oder dem Immunsystem nicht ausreichend erklären. Daraus schließen sie, dass ein Schöpfer oder Designer für deren Entstehung verantwortlich ist. Schon Darwin erkannte die Problematik:

"Ließe sich irgendein zusammengesetztes Organ nachweisen, dessen Vollendung nicht möglicherweise durch zahlreiche kleine aufeinanderfolgende Modifikationen hätte erfolgen können, so müsste meine Theorie unbedingt zusammenbrechen. Ich vermag jedoch keinen solchen Fall aufzufinden."

Charles Darwin

Der Evolutionsbiologe Richard Dawkins schrieb 2006 dazu:

"Darwin konnte keinen derartigen Fall finden, und seit seiner Zeit ist es trotz angestrengter und sogar verzweifelter Versuche auch sonst niemandem gelungen."

Richard Dawkins

Dawkins weist darauf hin, "dass Darwin mühelos erklären konnte, wie sich das Auge in der Evolution ganz allmählich entwickelt hat." Ein weiterer Haupteinwand von Kreationisten und ID-Vertretern gegen die Evolutionstheorie ist, es gebe keine Belege für die Entwicklung neuer Baupläne von Organismen über die Grenze einer Art hinaus. Für den Prozess, der als Makroevolution bezeichnet wird, wie etwa die Umwandlung von Reptilien zu Vögeln im Laufe der Stammesgeschichte, im Gegensatz zur Mikroevolution, die Entstehung neuer Rassen und Arten aus Vorläufern. Dem Argument von den Lücken zwischen den Bauplänen halten Paläontologen wie Michal Kucera und Michael Maisch jüngste Fossilienfunde entgegen, etwa "die zahlreichen Funde gefiederter Dinosaurier und früher Vögel aus China, die uns nun den Übergang zwischen diesen Gruppen praktisch lückenlos belegen lassen."

Die Katholische Kirche und die Evolution

1996 erkannte Papst Johannes Paul II. die Evolutionslehre prinzipiell an. Noch 1950 hatte Papst Pius XII. die darwinistische Lehre in einer Enzyklika als Gefahr für den katholischen Glauben eingeschätzt und die Evolutionstheorie nur als Hypothese akzeptiert. Der Nachfolger von Johannes Paul II., Papst Benedikt XVI., nimmt eine distanzierte Position gegenüber der Evolutionstheorie ein: Wissenschaft könne die Evolution nicht vollständig erklären. In einer Predigt in Regensburg sagte Benedikt XVI.:

"Die Sache mit dem Menschen geht nicht auf ohne Gott. Und die Sache mit der Welt, dem ganzen Universum, geht nicht auf ohne ihn."

Papst Benedikt XVI.

Bereits 2005 veröffentlichte der Wiener Kardinal Christoph Schönborn in der amerikanischen Tageszeitung New York Times einen Artikel unter dem Titel "Finding Design in Nature". Darin heißt es:

"Die Evolution im Sinn einer gemeinsamen Abstammung aller Lebewesen kann wahr sein, aber die Evolution im neodarwinistischen Sinn - ein zielloser, ungeplanter Vorgang zufälliger Veränderung und natürlicher Selektion - ist es nicht. Jedes Denksystem, das die überwältigende Evidenz für einen Plan in der Welt des Lebendigen leugnet oder wegzuerklären versucht, ist Ideologie, nicht Wissenschaft."

Kardinal Christoph Schönborn


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