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Friedrich Engels Das Thema

Stand: 23.11.2012 | Archiv

Friedrich Engels wurde am 28. November 1820 in Barmen geboren, das heute zu Wuppertal gehört und damals eines der führenden deutschen Industriezentren war. Er war das erste von neun Kindern des Textilfabrikanten Friedrich Engels und seiner Frau Elise. Ihr Sohn besuchte zunächst die Barmer Stadtschule und wechselte mit 14 Jahren auf das Gymnasium im benachbarten Elberfeld. Schon früh zeigte er sich als scharfzüngiger Kritiker der Verhältnisse. In seinen ersten Veröffentlichungen, den „Briefen aus dem Wuppertal“ aus dem Jahr 1839, beschrieb Engels unter dem Pseudonym Friedrich Oswald etwa die Barmer Schule: als „ganz in den Händen eines beschränkten, knickrigen Kuratoriums, das meist auch nur Pietisten zu Lehrern wählt.“

Beeinflusst von den Pietisten, einer besonders frommen Gruppe unter den Protestanten, war auch Engels Vater, der die örtliche Kirchengemeinde unterstützte. Wie schon Engels Großvater, der – ebenfalls Unternehmer – außerdem eine Schule für die Kinder seiner Arbeiter gebaut und den Armenverein geleitet hatte. Es dürfte auch diese wohltätige Familientradition gewesen sein, die den jungen Friedrich Engels für „das Elend unter den (...) Fabrikarbeitern im Wuppertal“ sensibilisierte, deren Kinder zum Teil schon in der Fabrik schuften mussten, weil sie billigere Arbeitskräfte waren.

Kaufmann wider Willen

Engels beendete das Gymnasium nicht, sondern trat 1837 auf Wunsch seines Vaters eine kaufmännische Lehre an, die ihn nach Bremen führte. Tatsächlich wollte er zunächst Dichter zu werden. Neben seiner Ausbildung verfasste er Theaterstücke und Gedichte und las eifrig. Er begeisterte sich für die aufkommende literarische Bewegung „Junges Deutschland“. „Der Mensch ist frei geboren, ist frei!“ schrieb er euphorisch in Bremen, wo auch sein Interesse für die Philosophie erwachte, insbesondere für die Junghegelianer, die Hegels Dialektik mit revolutionären Gedanken kombinierten. Engels Absicht, Kaufmann zu werden, blieb vordergründig. Es ging ihm darum, den „Palast der Idee“, die Philosophie Hegels, zu erobern. Mit Kalkül wählte Engels deshalb für seinen einjährigen Militärdienst 1841 die Universitätsstadt Berlin, wo er Philosophie-Vorlesungen besuchen konnte.

Erste Begegnung mit Karl Marx

In Berlin verkehrte der Nicht-Akademiker Engels als „Doktor Oswald“ im „Doktorklub“, dessen studierte Besucher mit Hilfe der Philosophie die gesellschaftlichen Verhältnissen umstürzen wollten. Zu ihnen zählten unter anderem Bruno Bauer und Max Stirner. Auch der Trierer Karl Marx, Doktor der Philosophie, war ein Klubbesucher gewesen, hatte allerdings Berlin schon wieder verlassen, bevor Engels dort ankam. Ihm begegnete Engels zum ersten Mal Ende 1842 in Köln, wo Marx als Redakteur der neu gegründeten, radikaldemokratischen „Rheinischen Zeitung“ arbeitete, für die auch Engels seit Mitte des Jahres sozialkritische Beiträge verfasste. Engels war auf dem Weg nach Manchester, wo er in der von seinem Vater mitgegründeten Spinnerei Ermen & Engels seine kaufmännische Ausbildung vollenden sollte. Er selbst sah die neue Station allerdings eher als Gelegenheit, um über die Arbeiterbewegung in England zu berichten, als Korrespondent für die „Rheinischen Zeitung“. Marx jedoch reagierte zurückhaltend auf seine Begegnung mit Engels, dem er wohl zunächst eher eine philosophische als die von ihm gewünschte politische Radikalität zutraute.

Beginn der Zusammenarbeit mit Marx

Doch die Berichte, die Engels – nach wie vor unter dem Pseudonym Friedrich Oswald – aus England an die „Rheinische Zeitung“ schickte, dürften im Sinne Marx’ gewesen sein. Engels beschrieb die „schwache Grundlage“, die das „ganze künstliche Gebäude der sozialen und politischen Wohlfahrt Englands“ habe. Im Fall „der geringsten Schwankung im Handel“ prophezeite er, wären „Tausende von Arbeitern“ vom „Hungertod“ bedroht. Im März 1843 erhielt die „Rheinische Zeitung“, die derlei veröffentlichte, von der Preußischen Regierung Publikationsverbot. Marx emigrierte nach Paris, wo er 1844 die „Deutsch-Französischen Jahrbücher“ herausgibt. In der einzigen Ausgabe, die erscheint, veröffentlichte Engels, nun unter eigenem Namen, zwei Beiträge, von denen vor allem der eine Folgen haben sollte. Denn seine „Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie“ waren eine entscheidende Anregung für Karl Marx’ Lebenswerk, „das Kapital“. Damit markierte Engels Beitrag auch den Beginn einer lebenslangen intellektuellen und freundschaftlichen Partnerschaft zwischen ihm und Marx, die von 1844 an auch durch einen intensiven Briefwechsel dokumentiert ist.

Vom Publizisten zum Kommunisten

Engels, der seine Ausbildung in England beendet hatte, kehrte 1844 ins „Deutsche Manchester“, nach Barmen, zurück, um dort zum Leidwesen seiner angesehenen Eltern bei Versammlungen in Gasthöfen den Kommunismus zu erklären. Nur kurz nahm er die Arbeit als Kaufmann auf, dann empfand er es als „zu scheußlich, nicht nur Bourgeois, sondern sogar Fabrikant, aktiv gegen das Proletariat auftretender Bourgeois zu bleiben“. Engels arbeitete an einem seiner wichtigsten Werke, „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“. Eine Anklage gegen die englische Bourgeoisie, die, wie er feststellte, auch gegen die deutsche gerichtet ist, denn sie „sei ebenso schlimm (...), nur nicht so couragiert, so konsequent und so geschickt in der Schinderei.“ Im April 1845 übersiedelte Engels nach Brüssel, wo der auf Druck Preußens aus Paris ausgewiesene Marx nun mit seiner Frau wohnte. 1846 zog Engels weiter nach Paris, wo der „Bund der Gerechten“ seinen Sitz hatte. Eine Gruppe emigrierter deutscher Linksliberaler, denen sich Marx und Engels 1847 anschlossen. Im selben Jahr kam der Bund, der sich nun „Bund der Kommunisten“ nannte, in London zu seinem zweiten Kongress zusammen, und beauftragte Engels und Marx ein Programm zu schreiben. Das „Manifest der kommunistischen Partei“, wurde ihre berühmteste gemeinsame Arbeit.

"Proletarier aller Länder vereinigt euch!"

Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft sei die Geschichte von Klassenkämpfen, heißt es im Manifest, und – in der Epoche der Bourgeoisie angelangt – spalte sich die Gesellschaft zunehmend in zwei große feindliche Lager: Bourgeoisie und Proletariat. Die Proletarier aber, also „die „Arbeiter, die sich stückweis verkaufen müssen, sind eine Ware wie jeder andere Handelsartikel“, nurmehr „ein bloßes Zubehör der Maschine“, analysierten Engels und Marx deren elende Lage. Doch mit dem Fortschritt der Industrie trete „an die Stelle der Isolierung der Arbeiter durch Konkurrenz ihre revolutionäre Vereinigung“. So produziere die Bourgeoisie „vor allem ihren eigenen Totengräber. Ihr Untergang und der Sieg des Proletariats sind gleich unvermeidlich“, folgerte das Manifest. Das Ergebnis: eine Revolution, die Aufhebung des Privateigentums und die Herrschaft des Proletariats. Indem aber das Proletariat die alten Produktionsverhältnisse aufhebe, hebe es auch die „Existenzbedingungen“ für einen Gegensatz der Klassen auf und damit seine eigene Herrschaft“.

Die Revolution von 1848

Die Revolution die 1848 zahlreiche Staaten Europas ergriff, war eine bürgerliche. In Deutschland kämpften die Revolutionäre für demokratische Reformen und die nationale Einigung. Im März kam es zuerst in Baden und Bayern zu Aufständen, am 18. März gingen in Berlin Bürger gegen das Militär auf die Barrikaden. Engels begab sich nach Köln, wo er mit Marx die Gründung der „Neuen Rheinischen Zeitung“ an sich riß. Vergeblich versuchte er in Barmen Geldgeber für das Blatt zu finden, in dem er die revolutionären Ereignisse mit anonymen Artikeln begleitete. Im September forderten er und andere Redner in Köln vor Tausenden von Zuhörern eine „demokratisch-soziale“, eine „rote Republik“. Nach einem weiteren Auftritt kam er wie Marx vor ein Geschworenengericht. Engels floh in die Schweiz, war aber Anfang 1849 wieder in der Kölner Redaktion. Er und Marx verstrickten sich in weitere Revolutionswirren, wurden verhaftet und wieder freigelassen. Marx fuhr nach Paris, Engels nahm in einem Freikorps noch an weiteren Kämpfen teil und floh dann über die Schweiz nach Genua, von wo er sich nach England begab, das für mehr als 40 Jahre seine Heimat werden sollte.

Exil in England

Engels kehrte zur Firma Ermen & Engels in Manchester zurück, doch nicht aus Liebe zum Kaufmannsberuf. Die Firma sollte ihm vor allem genügend Geld einbringen, um sich und Marx, der mitsamt seiner Familie nach London ins Exil gegangen war, zu finanzieren und ihnen beiden die politische Arbeit zu ermöglichen. Es gelang ihm wiederholt den Vater davon überzeugen, dass seine Anwesenheit in der Firma in Manchester notwendig und entsprechend zu honorieren sei, ohne dabei zu große Verpflichtungen einzugehen. Bis ihm 1864, vier Jahre nach dem Tod seines Vaters, der ererbte Anteil an der Firma die Partnerschaft in dem Unternehmen ermöglichte, aus dem er 1869 mit Gewinn ausstieg. Derweil stellte Engels seine intellektuellen Talente immer wieder selbstlos in den Dienst des „Genies“ Karl Marx, in dessen Nähe er 1870 nach London zog. Er schrieb Artikel in dessen Namen, damit die Einnahmen Marx zukämen, der sich seinen politisch-ökonomischen Studien für das „Kapital“ widmete. Dabei trieb Engels Marx immer wieder an und stand ihm als erster Kritiker und exzellenter Stilist stets zur Seite. Engels Fürsorge für den Freund ging soweit, dass er sich bis kurz vor seinem Tod für den Vater von Marx’ unehelichen Sohn und dessen Haushälterin ausgab. Doppelt getroffen war Engels deshalb, als 1863 seine langjährige Partnerin Mary Burns plötzlich verstarb und Marx mit einem wenig einfühlsamen Brief reagierte. „Du fandest den Moment passend, die Überlegenheit Deiner kühlen Denkungsart geltend zu machen“, ließ ihn Engels wissen. Nach einem Entschuldigungsbrief Marx’ aber schrieb Engels, froh zu sein, „dass ich nicht mit der Mary gleichzeitig“ den „ältesten und besten Freund verloren habe.“

Wissenschaftlicher Sozialismus

Die Verfasser des „Kommunistischen Manifests“ strebten eigentlich keine politischen Ämter an. „Wie passen Leute wie wir, die offizielle Stellungen fliehen wie die Pest, in eine Partei?“, schrieb Engels 1851 an Marx, noch bevor der Bund der Kommunisten sich 1852 auflöste. Doch die kommunistische Sache voranzubringen, etwa in der „Internationalen Arbeiterassoziation“, daran lag Engels. So begab er sich, nachdem 1867 der erste Band von Marx’ Hauptwerk, „Das Kapital“, erschien nach Deutschland, um es in der deutschen Presse zu besprechen. Und während Marx sein großes Theoriewerk zur politischen Ökonomie weiter verfolgte, war es vor allem Engels, der mit Schriften, die in einer zugänglicheren Sprache formuliert waren, dafür sorgte, dass sich der Marxismus gegenüber konkurrierenden theoretischen Ansätzen in der sozialistischen Arbeiterbewegung etablierte. Dazu gehörte Engels Kritik an „Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft (1878) und die Schrift „Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft“ (1880), mit der er den Marxismus zu einem weltanschaulichen System mit wissenschaftlichem Charakter ausweitete. Als die die „Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands" bei den Reichstagswahlen 1884 trotz der seit 1878 gegen sie gerichteten „Sozialistengesetze“ ihre Wählerstimmen gegenüber der Zeit vor den Gesetzen noch vermehren konnte kommentierte Engels in einem Brief zufrieden: „Es ist aber auch famos. Zum ersten Mal in der Geschichte steht eine solid geschlossene Arbeiterpartei als wirkliche politische Macht da, (...)“ Nach dem Tod von Karl Marx widmete sich Engels ganz der Verwaltung von dessen Nachlass und brachte die Folgebände von Marx’ „Kapital“ heraus. Den zweiten Band 1885, den dritten 1894. Im Jahr darauf starb Friedrich Engels.


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