Peutinger, Aventinus & Co.
Geschichte | RS, Gy |
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Im 15. und 16. Jahrhundert wagen junge Gelehrte ein unerhörtes Abenteuer: Sie rebellieren gegen den Geist des Mittelalters und gründen auf dem Erbe der Antike ein neues Bild vom wahren Menschen.
"O Jahrhundert! O Wissenschaften: Es ist eine Lust, zu leben. Die Studien blühen, die Geister regen sich! Du, Barbarei, nimm den Strick und mach Dich auf Verbannung gefasst!" So viel Begeisterung, so viel Überschwang - worüber? Ganz offensichtlich über den Anbruch einer neuen Zeit. Alles ist in Bewegung geraten: Mit den Wissenschaften und der Bildung geht es aufwärts, überall Erwachen, Fortschritt. Was früher war, das Grobe, Ungeschlachte, Unkultivierte muss weichen, es hat keinen Platz mehr im Jahrhundert der Erneuerung.
Der Humanismus hält Einzug in Bayern.
Ulrich von Hutten (1488 - 1523), der Verfasser dieses euphorischen Jubels, ist ein hessischer Reichsritter und zugleich einer der führenden Vertreter des Humanismus in Deutschland. Die berühmten Zeilen stehen in einem Brief, den er im Oktober 1518 an seinen Freund Willibald Pirckheimer in Nürnberg schreibt. Sie bezeugen, dass nördlich der Alpen eine neue Zeit angebrochen und die zu Beginn des 14. Jahrhunderts in Italien entstandene Gelehrten- und Geisteskultur des Humanismus nun auch in Bayern fest verwurzelt ist.
Große Erwartungen, hehre Ideale
Doch nicht nur in Nürnberg, überall in Bayern, am herzoglichen Hof, an Bischofssitzen, in Klöstern und vor allem in Augsburg sowie an der jungen Universität zu Ingolstadt ist ein neues Lebensgefühl, ein neues Wissenschaftsverständnis, ein neues Bildungsstreben, ein neues Menschenbild spürbar. Das Modell dieses Aufbruchs liefert die Antike, in erster Linie die römisch-lateinische Kultur. Sie ist der Maßstab, die goldene Zeit, in der die Tugenden und Wissenschaften blühten. Dieses Ideal einer vorbildlichen Menschlichkeit will der Humanismus mithilfe eines neujustierten Bildungsgedankens wiederbeleben.
Der Anbruch der Neuzeit
Bildung meint dabei alles andere als geistloses Faktenhäufen und Wiederkäuen. Es geht um viel mehr. Es geht um das Abenteuer, das Glück und Geschenk des Menschseins. Bildung im humanistischen Sinn ist ein pädagogisches Gesamtprojekt, ein Lebenskonzept, das den Menschen durchdringt und die Entfaltung seiner individuellen Fähigkeiten fördert. Erst die umfassende, auf die Reifung des Verstandes, der moralischen Haltung und der Tugenden, kurz die gesamte Lebenspraxis abzielende Bildung befähigt den Menschen, seine wahre Bestimmung zu erkennen und ein ideales Menschsein, die ideale humanitas zu verwirklichen.
Die Verbannung der Barbarei
Die humanistische Selbstbefreiung aus der Bevormundung durch schal gewordene Traditionen, aus Engstirnigkeit und barbarischem Provinzialismus ist zu Beginn der Neuzeit in Bayern in vollem Schwung: "O Jahrhundert! O Wissenschaften: Es ist eine Lust, zu leben!"