Bayern 2 - radioWissen


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Peutinger, Aventinus & Co.

Von: Simon Demmelhuber / Sendung: Ulrich Zwack

Stand: 23.09.2019 | Archiv

Zeitgenössische Handschrift des Humanisten Ulrich von Hutten aus der Hutten-Sammlung in Fulda | Bild: picture-alliance/dpa
GeschichteRS, Gy

Im 15. und 16. Jahrhundert wagen junge Gelehrte ein unerhörtes Abenteuer: Sie rebellieren gegen den Geist des Mittelalters und gründen auf dem Erbe der Antike ein neues Bild vom wahren Menschen.

"O Jahrhundert! O Wissenschaften: Es ist eine Lust, zu leben. Die Studien blühen, die Geister regen sich! Du, Barbarei, nimm den Strick und mach Dich auf Verbannung gefasst!" So viel Begeisterung, so viel Überschwang - worüber? Ganz offensichtlich über den Anbruch einer neuen Zeit. Alles ist in Bewegung geraten: Mit den Wissenschaften und der Bildung geht es aufwärts, überall Erwachen, Fortschritt. Was früher war, das Grobe, Ungeschlachte, Unkultivierte muss weichen, es hat keinen Platz mehr im Jahrhundert der Erneuerung.

Der Humanismus hält Einzug in Bayern.

Ulrich von Hutten (1488 - 1523), der Verfasser dieses euphorischen Jubels, ist ein hessischer Reichsritter und zugleich einer der führenden Vertreter des Humanismus in Deutschland. Die berühmten Zeilen stehen in einem Brief, den er im Oktober 1518 an seinen Freund Willibald Pirckheimer in Nürnberg schreibt. Sie bezeugen, dass nördlich der Alpen eine neue Zeit angebrochen und die zu Beginn des 14. Jahrhunderts in Italien entstandene Gelehrten- und Geisteskultur des Humanismus nun auch in Bayern fest verwurzelt ist.

Große Erwartungen, hehre Ideale

Doch nicht nur in Nürnberg, überall in Bayern, am herzoglichen Hof, an Bischofssitzen, in Klöstern und vor allem in Augsburg sowie an der jungen Universität zu Ingolstadt ist ein neues Lebensgefühl, ein neues Wissenschaftsverständnis, ein neues Bildungsstreben, ein neues Menschenbild spürbar. Das Modell dieses Aufbruchs liefert die Antike, in erster Linie die römisch-lateinische Kultur. Sie ist der Maßstab, die goldene Zeit, in der die Tugenden und Wissenschaften blühten. Dieses Ideal einer vorbildlichen Menschlichkeit will der Humanismus mithilfe eines neujustierten Bildungsgedankens wiederbeleben.

Der Anbruch der Neuzeit

Bildung meint dabei alles andere als geistloses Faktenhäufen und Wiederkäuen. Es geht um viel mehr. Es geht um das Abenteuer, das Glück und Geschenk des Menschseins. Bildung im humanistischen Sinn ist ein pädagogisches Gesamtprojekt, ein Lebenskonzept, das den Menschen durchdringt und die Entfaltung seiner individuellen Fähigkeiten fördert. Erst die umfassende, auf die Reifung des Verstandes, der moralischen Haltung und der Tugenden, kurz die gesamte Lebenspraxis abzielende Bildung befähigt den Menschen, seine wahre Bestimmung zu erkennen und ein ideales Menschsein, die ideale humanitas zu verwirklichen.

Die Verbannung der Barbarei

Die humanistische Selbstbefreiung aus der Bevormundung durch schal gewordene Traditionen, aus Engstirnigkeit und barbarischem Provinzialismus ist zu Beginn der Neuzeit in Bayern in vollem Schwung: "O Jahrhundert! O Wissenschaften: Es ist eine Lust, zu leben!"

Ein Überblick

Johannes Gutenberg, Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Lettern ( um 1397); Gutenberg beim Druck des Psalters. Holzstich nach einer Zeichnung von Adolph Menzel | Bild: picture-alliance/dpa zur Übersicht Humanismus in Bayern Renaissance und Humanismus

Am Anfang steht eine Entdeckung: Die im Mittelalter als heidnisch verworfene, weithin vergessene Kultur der Antike wird zum Maßstab der Künste, Tugenden und Wissenschaften. Ihr Beispiel zeigt den Weg zu wahrer Menschlichkeit. [mehr]

Humanitas:

Albrecht Dürer: Selbstbildnis im Pelzrock  (1500)
| Bild: picture-alliance/dpa zur Übersicht Humanismus in Bayern Die Kunst, ein Mensch zu werden

Tiere sind Instinktwesen. Nur der Mensch besitzt Vernunft, Sprache und Moral. Diese Fähigkeiten sind jedoch nur angelegt und müssen entwickelt werden. Das humanistische Bildungsprojekt tritt an, dieses Potenzial zu entfalten. [mehr]

Ad fontes

Holzbrett mit Eisengriff, in Tinte mit den Linien 468-473 aus Buch I von Ilias von Homer beschriftet. 1.-2. Jahrhundert n. Chr. Römisch. Aus Ägypten. | Bild: picture-alliance/dpa zur Übersicht Humanismus in Bayern Die Revolution der Wissenskultur

Jahrhunderte des Abschreibens, Vergessens, Verstümmelns haben die Werke der Antike verdorben. Daher suchen die Humanisten nach den unverfälschten Quellen der Überlieferung. Ihr Bemühen legt das Fundament der modernen Textkritik. [mehr]

Bavaria docta

Konrad Peutinger  (1465-1547) - Humanist, Stadtschreiber in Augsburg, Sammler von Handschriften, vertrauter Kaiser Maximilians I.. Schabkunstblatt von Johann Jakob Haid nach einem zeitgen. Bildnis | Bild: picture-alliance/dpa zur Übersicht Humanismus in Bayern Innovationsschübe

Vorsprung durch Gelehrsamkeit: Ingolstadt, Augsburg und Nürnberg sind Zentren des Humanismus in Bayern. Das neue Denken löst nicht nur einen akademischen Innovationschub aus. Auch die Künste und Wirtschaft erblühen. [mehr]

Humanisten in Bayern

Porträt von Conrad Celtis, Humanist und lateinischer Dichter (Holzstich von Moritz Klinkicht) | Bild: picture-alliance/dpa zur Übersicht Humanismus in Bayern Ein Abriss in Bildern

Das Wirken der bayerischen Humanisten umfasst ein breites Feld unterschiedlicher Tätigkeitsfelder. Conrad Celtis, Konrad Peutinger und Matthäus Rader stehen exemplarisch für inhaltliche und zeitliche Spannweite der Epoche. [mehr]

Hätten Sie's gewusst?

Quiz - Fragezeichen | Bild: colourbox.com zur Übersicht Humanismus in Bayern Testen Sie Ihr Wissen!

Humanitas, latinitas, ad fontes, Cicero: Für manche ist die Epoche des Humanismus ein undurchschaubares Dickicht. Andere sitzen auch hier in der ersten Reihe und blicken voll durch. [mehr]

Audio

Porrät Conrad Peutinger | Bild: picture-alliance/dpa zum Audio Humanismus in Bayern Peutinger, Aventinus und Co.

Bayern gilt nicht gerade als Hochburg des Humanismus. Zu Unrecht. Namen wie Konrad Celtis, Aventinus, Konrad Peutinger oder Willibald Pirckheimer beweisen, dass im heutigen Bayern Humanisten von Rang gelebt und gewirkt haben. (Lernmaterial unter http://www.radiowissen.de) [mehr]


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