Mythos Trümmerfrauen
Geschichte | MS, RS, Gy |
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Sie prägen unsere Erinnerung an die Nachkriegszeit in Deutschland - die Trümmerfrauen, die in mühevoller Arbeit den Schutt beseitigen, den der Krieg hinterlassen hat. Doch bei näherer Betrachtung erweist sich das Bild als Mythos.
Die Situation nach Kriegsende
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 bestand die deutsche Bevölkerung überwiegend aus Frauen, Kindern und alten Menschen. Über ein Viertel der deutschen Männer, die in den Krieg gezogen waren, war gefallen, andere galten als vermisst oder kehrten erst nach langer Gefangenschaft wieder zurück. Aus dieser Notsituation heraus übernahmen die Frauen die Versorgung der Familie. Das Alltagsleben im Deutschland der Nachkriegszeit war geprägt von Hunger und Verzicht. Nahrungsmittel konnten nur via Lebensmittelkarten oder auf dem Schwarzmarkt gekauft werden. Von den 16 Millionen Wohnungen in Deutschland waren 25 Prozent zerstört und etwa gleich viele stark beschädigt worden, zahlreiche Fabriken lagen in Trümmern und die Hälfte der Schulen war nicht mehr benutzbar. Schätzungen zufolge gab es in Deutschland nach Kriegsende mehr als 400 Millionen Kubikmeter Schutt.
Die Entstehung des Mythos der Trümmerfrauen
Um Straßen und Plätze vom Schutt zu befreien und noch verwertbares Baumaterial zu sichern, wurden unter anderem auch sogenannte "Hilfsarbeiter und Hilfsarbeiterinnen im Baugewerbe" dienstverpflichtet. So arbeiteten im Sommer 1946 in Berlin rund 41.000 Frauen und etwa 37.000 Männer tageweise bei der Trümmerbeseitigung mit. Auf Fotografien, die die Aufräumarbeiten dokumentieren, erscheinen allerdings nur die Trümmerfrauen als Heldinnen des Neuanfangs. So entsteht der Eindruck, die deutschen Frauen hätten alleine und ohne Hilfe den Schutt weggeräumt. Bei genauerem Hinsehen stellt sich allerdings heraus, dass diese Bilder inszeniert waren. Forschungen bestätigen, dass ein Großteil der Aufräumarbeiten von Baufirmen professionell organisiert wurde, da die Arbeit an den maroden Fassaden viel zu gefährlich war. Auch die alliierten Besatzer, sowie Kriegsgefangene und internierte Nationalsozialisten übernahmen einen gewichtigen Anteil an der Beseitigung der Trümmer.
Alltag der Frauen in der Nachkriegszeit
Der Alltag der Frauen in den Jahren nach 1945 war auch ohne diese zusätzliche Schwerstarbeit anstrengend und zermürbend. Der tägliche Kampf ums Überleben wurde geprägt durch die mühevolle Beschaffung von Nahrungsmitteln. Da die täglichen Rationen über die Lebensmittelmarken gering waren, musste nach zusätzlichen Nahrungsquellen Ausschau gehalten werden. Eine wichtige Rolle spielten dabei Ersatzprodukte wie Trockenmilch, Trockenei oder Kaffee aus Zichorien. Neben den Aufgaben in Haushalt und Familie gingen auch viele Frauen einem Beruf nach. So waren in München im Jahre 1946 37,8% der Erwerbstätigen Frauen und ernährten so ihre Familie. Da diese alltäglichen Arbeiten als nicht spektakulär genug erschienen, trat die "Trümmerfrau" im engeren Sinne in den Mittelpunkt, die mit schwerer Arbeit den Schutt beseitigte, den der Krieg der Männer hinterlassen hatte. Ihr Mythos überlagert und verstellt in der Rückschau den Blick auf die Frauen der Trümmerzeit und damit auch auf das spezifisch weibliche Nachkriegsschicksal.