Ein Wettlauf Bayern-Österreich
Geschichte | MS, RS, Gy |
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Die Zugspitze hat eine bewegte Geschichte. Sie wird bezwungen, als Nationalheiligtum verehrt, für den Massentourismus erschlossen, verbaut und geschunden. Heute herrscht auf Deutschlands größter Erhebung ganzjährig Hochsaison.
Im frühen 19. Jahrhundert wächst das Interesse an den Alpen. Wissenschaftler erforschen die Bergwelt und die neu formierte bürgerliche Gesellschaft bekommt zunehmend Lust auf die "reine" Natur als Kontrast zu Stadt und Industrielandschaft. König Max I. Joseph (1806-1825), dessen bayerisches Staatsgebiet in der Napoleon-Epoche erheblich erweitert wurde, lässt seinen Machtbereich vermessen und schickt dazu Soldaten ins Gebirge. Die Einheimischen betrachten die Kletterei der "Zuagroasten" mit Skepsis und sehen wenig Sinn darin, Berge, auf deren Gipfeln sie böse Geister vermuten, zu besteigen.
Im Sommer 1820 kommt Leutnant Josef Naus, ein in der bayerischen Armee dienender Tiroler, mit einem Kartierungsauftrag in das Werdenfelser Land. Am 26. August gehört Naus zu einem Trupp, der mit einem lokalen "Bergführer" durch das Reintal in Richtung Zugspitze aufbricht. Zwei Kameraden kehren um, doch Naus geht weiter und erreicht am 27. August gegen Mittag den Gipfel. Obwohl es Vermutungen gibt, dass schon Jahrzehnte vor Naus Jäger, Schmuggler oder Hirten ganz oben auf den Felsspitzen waren, gilt Naus als offizieller Erstbesteiger der Zugspitze.
In der Folgezeit drängen immer mehr Menschen - zunächst in den Sommermonaten - auf den bayerisch-österreichischen Grenzberg, der nach der Reichsgründung 1871 zum Mythos, zum Gipfel der deutschen Nation wird. Ein Hütten- und Wegenetz entsteht, Klettersteige vereinfachen den Aufstieg, ein Tunnelweg wird gehauen und gesprengt. Ab 1926 bringen Bergbahnen die Besucher - nun ganzjährig - auf die Zugspitze. Bayern und Österreicher wetteifern darin, möglichst viele Touristen ganz hinauf zum mehr und mehr verbauten Gipfel zu transportieren. Spätestens mit der Erschließung des Zugspitz-Skigebiets wird Deutschland höchster Berg zum Freizeitpark, den die regionale Wirtschaft und die Tourismusindustrie nicht missen möchten.