Wenn die Küste bröckelt
Mensch, Natur und Umwelt | RS, Gy |
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Kreide ist ein Sedimentgestein - weich, porös und kaum verfestigt. Mit schroffen Felsformationen und spektakulären Küstenabbrüchen hat der Rohstoff aus uralter Zeit die Insel Rügen berühmt gemacht.
Maler und Schriftsteller haben Rügen im frühen 19. Jahrhundert entdeckt und zum mythischen Ort verklärt. Seither zieht die Insel mit ihrer schroffen Schönheit Touristen aus aller Welt in ihren Bann. Viele Besucher denken an Caspar David Friedrichs berühmtes Bild "Kreidefelsen auf Rügen" (1818), wenn sie sich der imposanten Steilküste nähern. Doch des Künstlers Blick bleibt ihnen versagt, denn die Küste verändert sich kontinuierlich. Als vergängliche Naturkulisse sorgt sie immer wieder mit Felsabbrüchen für Aufsehen.
Die Rügener Kreide entsteht gegen Ende des Erdmittelalters, des Mesozoikums. Über das heutige Gebiet der südlichen Ostsee erstreckt sich vor 70 bis 100 Millionen Jahren ein warmes Schelfmeer, das kaum tiefer als 200 Meter ist. Schalen und Skelette abgestorbener Kleinlebewesen sinken zu Boden. Kalkige Ablagerungen bauen sich auf und wachsen. Das Ergebnis dieses Sedimentationsprozesses ist Kreide, fast reines Calciumcarbonat.
Die letzte Eiszeit, die vor etwa 10.000 Jahren zu Ende geht, wölbt die Kreide auf, presst sie, verformt sie und lässt Mulden und Sättel entstehen. Seither sind auf Rügen Kliffs, also durch Abtragung geprägte Steilküstenwände, aktiv. Was einst aus dem Meer erwuchs, holt es sich immer wieder zurück.
Die Kreide, deren Blöcke weit ins Landesinnere reichen, wird auf Rügen seit Jahrhunderten abgebaut. Eine Kreideindustrie gibt es seit dem 19. Jahrhundert. Kreide kommt unter anderem als Düngemittel, Industrie-Füllstoff oder als Heilerde bei Kur- und Wellness-Anwendungen zum Einsatz.