Schutz und Selbstbehauptung
Psychologie | RS, Gy |
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Immer als erster im Büro und als letzter draußen? Dauernd die doofen Jobs an der Backe? Was andere sagen, wiegt zentnerschwer und jedes "Nein" würgt wie eine Gräte im Hals? Das riecht nach einem echt fetten Abgrenzungsproblem!
Die Ausbeuter lauern überall: Im Elternhaus, in der Schule, im Freundeskreis, am Arbeitsplatz. Sie spannen uns vor ihren Karren und laden ihren Müll bei uns ab. Sie schwätzen uns Trends und Lifestyles auf, sie pumpen uns mit Meinungen und Slogans voll, sie halten uns ihr Stöckchen hin und erwarten, dass wir springen. Ihr Ideal ist der rundum verfügbare Jasager, knetbar, benutzbar, anspruchslos und stets bereit, sein Bestes zu geben.
Bis hierher und nicht weiter!
Stopp! So nicht! Es gibt ein sicheres Hilfsmittel gegen diese alltäglichen Zumutungen, Übergriffe, und Ausnutzungsorgien. Es reicht, einfach "nein!" zu sagen. Oder "ich will das nicht!" Oder "das sehe ich anders!" Es genügt, klare Grenzen zu setzen zwischen dem, was wir wollen, wünschen, brauchen, spüren, denken und dem, was andere wollen, wünschen, brauchen, spüren, denken.
Ein Wagnis mit offenem Ausgang
Das klingt einfach und ist doch so schwierig. Die Grenzen, die wir setzen, schützen uns vor Überforderung und wahren unsere Interessen. Sie sind legitim und überaus nötig. Aber jedes "nein" ist immer wieder ein Wagnis mit offenem Ausgang. Jedes "nein" konfrontiert uns mit Verlustängsten und Schuldgefühlen, jedes "nein" zwingt uns, mit Affekten und Gegenreaktionen wie Enttäuschung, Liebesentzug, Wut, Unverständnis, mit dem Vorwurf der Undankbarkeit oder Gefühlskälte fertig zu werden.
Eine lebenslange Lernaufgabe
Keine Frage: Die Fähigkeit zur Abgrenzung erfordert Mut, Kraft, Ausdauer und Konfliktbereitschaft. Aber genau diese Fähigkeit entscheidet, wer wir sind und ob es uns gelingt, ein stabiles, selbstbestimmtes durch "atmende" Grenzen geschütztes Ich zu entwickeln. Ein Ich, das Übergriffe und invasive Affekte wirksam abwehrt, ein Ich, das sich behauptet und dennoch offen bleibt für Nähe und Gemeinsamkeit, für Kompromisse und Beziehungen. Mit diesem starken, autonomen Ich werden wir nicht geboren. Wir müssen es entwickeln. Das ist unsere lebenslange Lernaufgabe, die mit dem ersten selbstständigen Atemzug beginnt und unentwegter Nachschulung bedarf.