Lauter Wind Alphörner aus Oberbayern
Ende der 50er-Jahre brach die Alphornmode in Oberbayern aus. Seitdem ist das "himmellange" Instrument nicht mehr wegzudenken. Einer der ersten Alphornbauer aus den 50er-Jahren baut die langen Holzinstrumente immer noch.
Hans Thaler steht in seiner niedrigen Werkstatt in Bayrischzell, gleich neben der Kirche wohnt er. In seiner Holzschupf hat er sich eine Alphornwerkstatt eingerichtet: eine Werkbank unterm Fenster, eine Hobelmaschine, eine Bandsäge, an der Wand hängen unzählige Hobel, Stemmeisen und Rundeisen. Seit mehr als 60 Jahren baut er Alphörner, die so lang sind, dass sie kaum in die Werkstatt passen.
"Des erschte ist halt, dass ma amal an so an Krumen Baam finden muas, und zur grechten Jahreszeit arbatn, des is na meistens oiwei umd Weihnachtszeit umma, weil da s Holz ned an Soft ist, und des is oiwei a bissl a schwieirige Sach, weilsd ja do z weitergescht an Berg auffemuast, und meistens an Schnee drin."
Hans Thaler
Oberhalb von 1.500 Metern Höhe muss eine Fichte gewachsen sein, die sich für ein Alphorn eignet, sagt der Thaler Hans. Nur am Berg droben wächst ein Baum so langsam, dass die Jahresringe eng beieinander liegen, und das Holz fest genug ist.
"Des is halt a so a krumm gwachsner Baam, der am Hang wachst, und durchn Schneedruck wead der Baam junger owebong, und wenn a dann größer wird dan stellt er se wider auf, und dann kriagt er eben die Krümmung, die wo ma für des Schallstück unten braucht."
Hans Thaler
Thaler war sein Leben Lang Zimmerer von Beruf. Nebenbei hat er die Musikkapelle Bayrischzell dirigiert, Ölbilder gemalt und Theater gespielt. Eine Künstlerseele im Schwafwollfrack, die Mitte der 50er-Jahre durch eine Radiosendung vom Alphornfieber gepackt wurde:
"Im Boarischen Rundfunk is a Sendung kemma, woa oana gschildert hat, wia oana so a Alphorn baut hot. Und des hob i ghört, und i war damals so a junger Zimmermo, na hab i gsagt des probierst, des muast macha, bin i glei an nachsten Tag an Berg auffe, hab a so a Krummstangl gholt, auseinanderschnien, ausgholt, zammgleimt, der Nachteil war grad des, weil des Mitten im Summa war, da war des Holz im Saft, und dann iss wieder auseinanderganga, na hob i glei nomoi oas gmacht, und dann is des oiwei besser worden."
Alphornbauer Hans Thaler
Ist der richtige Baum gefunden, wird er am Steilhang gefällt und ins Tal transportiert. In der Werkstatt sägt ihn Thaler in zwei gleiche Hälften:
"Und dann muas is mindestens fünf Jahr lufttrocknen, mit da Rind, weil wenn i d Rind owatua, na kriagts vo außen so Hitzrissl, song mia, und i braucht ja die außere Schalen, weil des innere kimmt ja raus, und dann tua is numoi a bissl ind Trockenkammer, dass gwiss dürr ist."
Hans Thaler
Die getrockneten Hälften, die nachher wieder zusammengeklebt werden, höhlt Hans Thaler von innen aus, das Werkzeug dazu gibt es nicht im Fachhandel, das hat er sich selbst gebaut. Schritt für Schritt entstehen der krumme Schallbecher,
das Mittelstück und das schlanke Oberstück fürs Alphorn. Hier ist höchste Konzentration gefragt, denn über die ganze Länge von 3,60 Meter soll die Außenwand des Alphorns gleichmäßig nur sieben Milimeter dünn sein:
"Des is wichtig. Wenn ma dünner ist, na schäberts, und wenn ma dicker ist, na tuats pelzig oder so, woara, wia ma bei uns sagt. Dann weans außen abrundt, da hab i wieder meine Halbmondschablonen, dass des auf die Milimeterstärken hikimmt, dann kimmt vorn am Schallstück a scheena Birnbaamring drauf, den tua i drachseln, zur Stabilisierung, weil a Birnbaamholz is zach, und stabilisiert die zwanzg Zentimeter Öffnung vorn, dass des ned brecha kon."
Hans Thaler
Anschließend bekommen die Alphornteile eine Außenhaut und werden mit Pettigrohr umwickelt:
"Ganz friara hamms da so Rinden und so Zeit umma gwickelt, dass halt a bissl an Schutz hat, und ned so schnell zreiss kann, wenn ma wo osteht. Na no guad lackiern mid an Speziallack, an Instrumentenlack, dea sollt ned z pabaad sei, ... dass wieder glingt, weil wenn’s a rechter dicker Lack ist, der dad schlucka an de Schwinungen."
Hans Thaler
Das Alphorn ist fast fertig. Jetzt fehlt noch das Wichtigste: das Mundstück. Der Ton wird, ebenso wie bei einem Blechblasinstrument, durch die Lippenschwingung erzeugt. Die Mundstücke macht Hans Thaler deshalb ganz ähnlich, nur nicht aus Metall, sondern aus Apfel, Birn- oder Zwetschgenholz.
"Weil des an scheensten zun Drachsln geht, des hod midn Klang nix zum doa, de meistn san Posaunisten, oder ...aber i hab a Hornisten vom Orchester, und dene bau hoid na a so a kloans Mundstickl. Orthopädisch genau opasst."
Hans Thaler - sagt's und lacht
Der Alphornbauer ist Autodidakt
Thaler hat nie einen Instrumentenbaukurs besucht und auch keine Akustikbücher studiert. Seine Alphörner baut er nach Gefühl und Erfahrungswerten. In 60 Jahren konnte er seine Kunst so verfeinern, dass sich inzwischen professionelle Musiker aus München, Berlin, Hamburg und Frankfurt bei ihm die Klinke in die Hand geben. Einer davon ist Hans Kuhnert, Soloposaunist beim Symphonieorchester des Hessischen Runfunks. Die Bayrischzeller Instrumente eignen sich nicht nur für das Alphornkonzert von Leopold Mozart, sondern auch für neue Wege, wie zum Beispiel experimentielle Musik:
"Was man machen kann ist die Multiphonik mit dem Alphorn, also Alphorn ist eigentlich ein Instrument, wird vielleicht Hans nicht so gern hören, für neue Musik. Also um zu experimentieren: Also wenn sie zum Beispiel so was hören."
Posaunist Hans Kuhnert
Trotz der hochkarätigen Gäste aus großen Kulturorchestern - Zimmerer Thaler bleibt bescheiden, Instrumente bauen ist für ihn eine Nebenbeschäftigung:
"In unserer Gegend ist ja im Winter der Schnee z vui, dass ma am Bau no arbatn kon, und da hab im ma des a bissl so ogeignet, dass is halt im Winter a bissl a Werkstattbeschäftigung hob, und hob halt des na a so gmacht."
Hans Thaler
In seiner kleinen Werkstatt bringt ihn scheinbar nichts aus der Ruhe. Nur einmal wollte ein Musiker aus Berlin seine Initialen in asiatischen Schriftzeichen auf den Schallbecher seines Alphorns geschnitzt. Dabei war allerdings nicht ganz klar, wo bei den fremdländischen Buchstaben oben und unten ist:
"Des kumma mit da Post, na hob i gsagt, wie ghörtn des überhaupts, na bin i mid dem Ding, zum Apotheker, unser Apotheker der handelt mit so chinesischer Medizin, na hob i gsagt, du muast ma helfen, i woas ned wo da oben und unten ist, na hamma in Bücher nachgschaut, aber des glabst du ned, dass do oa so Ding dabei war des was da passt hätt."
Hans Thaler
Ein Bekannter des Apothekers konnte schließlich helfen und hat die asiatischen Schriftzeichen mit Erklärung zurückgefaxt.
Kontakt zur Zimmerei Thaler und zum Alphornbauer Hans Thaler - ...
... auch zu empfehlen, wenn es um Blasmusik geht, oder darum, die Alphörner zu hören: Bayrischzeller Blasmusik oder Bayrischzeller Alphornbläser, Hans Thaler jun., Ursprungstraße 14, 83735 Bayrischzell, Telefon 08023 / 81 97 64. Mail: zimmerei.thaler@t-online.de