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Der Hype um Konzertfilme Sind Filme von Live-Auftritten wirklich Konzert-Ersatz?

Konzertfilme sind beliebt - und werden heutzutage schnell mal zum Kassenschlager: Taylor Swift zum Beispiel brach mit ihrem Film zur Eras Tour 2023 Rekorde. Auch viele andere Künstler:innen setzen auf Konzertfilme – aber was macht sie so populär?

Von: Veronika Zacher

Stand: 26.08.2024

"The Eras Tour" Popcornbecher | Bild: picture-alliance/dpa

Die Anspannung kurz bevor die Lieblingsband auf die Bühne tritt, gemeinsam mit wildfremden Personen zu den Songs grölen und Tränen vergießen - Momente, die ein Konzert unvergesslich machen. Spätestens, wenn die erste Teenieliebe endet, man sich im Zimmer einsperrt und zu traurigen Songs weint, ist klar: Musik löst Gefühle aus. Aber bei Konzerten sind es Emotionen der Superlative. Das haben auch Forschende der Universität Zürich Anfang des Jahres in einer Studie herausgefunden. Live-Musik berührt Menschen emotional viel stärker als Aufnahmen. Was ist es also, das Konzertfilme zurzeit so beliebt macht?  

Allein im letzten Jahr veröffentlichten unter anderem Taylor Swift, Billie Eilish, Coldplay, The Weekend, Beyoncé und die K-Pop-Band BTS Konzertfilme. Und Taylor Swift bricht mit dem Film zu ihrer aktuellen Tournee mal wieder einen Rekord. Er ist der umsatzstärkste Konzertfilm überhaupt. Schon am Wochenende nach Kinostart spielt er rund 92,8 Millionen US-Dollar ein, mittlerweile sind es über 260 Millionen US-Dollar. Die Begeisterung für Konzertfilme ist also seit Mitte des letzten Jahrhunderts nicht abgerissen.  

Film und Musik: It’s a match 

Die Verbindung zwischen Musik- und Filmbranche war schon immer sehr eng. Bereits in den 1920er-Jahren, als der Tonfilm aufkam, wurden Musiker in Filmen gezeigt und vereinzelt auch klassische Konzerte aufgezeichnet. Filme mit Pop-Ikonen wie Elvis Presley und einem starken Fokus auf Musik legten dann die Grundlage für Konzertfilme. Sie waren zwar inszeniert und keine Konzertfilme im engeren Sinn, zeigten aber, dass die Verknüpfung von Musik und Film ein lukratives Geschäft ist. 

Ab den 1960er-Jahren werden die ersten frühen Rockkonzertfilme gedreht wie die T.A.M.I Show oder Montery Pop. Sie folgten dem Gestaltungsprinzip des Direct Cinema, also der reinen Beobachtung des Geschehens. 

1970 erscheint dann mit Michael Wadleighs Film über das Woodstock-Festival einer der ersten großen Konzertfilme mit kommerziellem Erfolg: Er dokumentiert nicht nur das dreitägige Festival, sondern inszeniert es auch als Ausdruck der Hippie-Bewegung. Dafür gibt es sogar 1971 den Oscar in der Kategorie Bester Dokumentarfilm. Danach reihen sich zahlreiche weitere Konzertfilme ein, die nicht nur für Musikfans produziert wurden, sondern auch einen filmischen Anspruch hatten – sie sind ein Gewinn für Plattenlabels und für die Filmindustrie. 

Und als die DVD auf den Markt kommt, ergeben sich auch für Konzertfilme nochmal ganz neue Möglichkeiten. Sie werden nicht mehr nur für die Kinos, sondern auch für das Genießen und Mitsingen auf der Couch produziert. Bei Deja Vroom aus dem Jahr 1999 können Zuschauer beispielsweise selbst zwischen verschiedenen Kameraperspektiven auf die Avantgarde-Rock-Band King Crimson auswählen. So kann ein ganz individuelles Konzert zusammengestellt werden. Bernd Kiefer und Daniel Schösser schreiben dazu 2010 in ihrem Aufsatz: „Mit der DVD und ihren avancierten technischen Möglichkeiten wird der Konzertfilm, der für die Kinoauswertung produziert wurde, wohl obsolet.“ 

Der neue, alte Hype 

Naja fast…Die DVD ist längst Geschichte, Konzertfilme in Kinos aber sicher nicht. Die Corona-Pandemie könnte dabei als Katalysator für den neuen Hype um Konzertfilme gewirkt haben. Viele Künstler spielten ihre Konzerte ohne Publikum und veröffentlichten sie dann als Film oder Live Stream - auch um irgendwie, und sei es eben mit einem Konzertfilm, weiterhin Einnahmen zu generieren. Und um so auch die Veranstaltungsbranche zu unterstützen.

David Byrne von den Talking Heads in "Stop Making Sense" | Bild: Jordan Cronenweth. Courtesy of A24 zum Artikel "Stop Making Sense" Wie dieser einzigartige Film die Magie der Talking Heads bis heute erlebbar macht

Er gilt als bester Konzertfilm aller Zeiten. Zurecht! Denn mit der restaurierten Fassung von "Stop Making Sense" kann man die Talking Heads-Magie auch 40 Jahre später noch im Kino erleben – selbst wenn man damals noch nicht einmal auf der Welt war. [mehr]

Konzertfilme ermöglichen aber vor allem Einblicke, die kein Konzert der Welt liefern kann: sei es der Entstehungsprozess von Tourneen oder auch Ideen und Gedanken der Künstler, zum Beispiel kurz bevor die Lichter angehen und es “Showtime” heißt. Mit perfekt ausgewählten Kameraperspektiven kommen wir unseren Musikfavoriten durch Konzertfilme für Ultra HD ganz, ganz nah. Und gerade bei schnell ausverkauften Konzerten spenden die Hochglanzproduktionen Trost für all diejenigen, die die Chance auf ein Live-Erlebnis verpasst haben. Ganz abgesehen davon, dass Kinotickets per se natürlich billiger und so auch für viel mehr Personen erschwinglich sind. 

Klar, die Stimmung eines Live-Konzerts wird ein Konzertfilm daheim auf der Couch nie transportieren können. Aber habt ihr die Eras Tour mal in einem ausverkauften Kinosaal angeschaut? Das kommt schon ziemlich nah ran!