Die Shitlers "Es ist auf jeden Fall ein Missverständnis zu sagen, Punk ist genuin links"
Die Shitlers sind zurück! Sechs Jahre nach ihrer stillen Verabschiedung ist jetzt eine neue EP der Bochumer Punkband erschienen. Im Interview erzählt Songschreiber Martin Seeliger, warum er Team Scheiße scheiße findet, warum ihn Wolfgang Wendlands Facebook-Posts faszinieren und wie schwer es ist als Punksänger in Würde zu altern.
Ganze sechs Jahre ist es her, dass sich die Die Shitlers von der Bühne verabschiedet haben. Die Bochumer Punkband stand lange für einen humorvollen Punk, der sich gern mit anderen Bands anlegt und immer was zu sagen hatte. Zwei Mitglieder aus der ursprünglichen Besetzung sind geblieben. Mit einer neuen EP melden sie sich jetzt zurück und knüpfen gleich an dem an, womit sie 2018 aufgehört haben. Einer der neuen Songs geht darüber, wie sich der Sänger der Kassierer, Wolfgang Wendland, auf Facebook übers Gendern aufregt und ein weiterer kritisiert die linke Punkszene im Ganzen. Wir haben mit Martin Seeliger geredet, dem Gitarristen und Songschreiber der Band.
ZÜNDFUNK: Wir rufen im Zündfunk hartnäckig die Jahre des Punks aus. Bands wie Team Scheiße oder Pisse erfahren auch immer größere Beliebtheit. Wie nimmst du gerade die deutsche Punk-Landschaft wahr?
Martin Seeliger: Erstmal muss man ja sagen, dass sich Team Scheiße und Pisse diese ganzen Fäkalienreferenzen im Namen nicht zuerst ausgedacht haben, sondern das haben wir gemacht. Das ist erstmal das Wichtigste da dran. Diese ganze Kunstpunk-Scheiße, das ist sowieso nichts für mich und Team Scheiße ist fürchterlich. Dieses zwanghaft verschrobene, was dieser Typ zur Schau stellen will, das spricht mich überhaupt nicht an. Und Pisse, die habe ich mal kennengelernt, die waren ganz nett, aber musikalisch spricht mich das auch nicht an. Es gibt ja diese Band aus Bonn, Fucking Angry. Die haben ein Lied gemacht mit "Wir machen Punk wieder interessant, wir machen Punk wieder relevant”. Und da muss ich sagen: das müsst ihr nicht machen, das haben wir schon gemacht.
Jetzt ist aber durch den Aufstieg dieser neuen Punkbands, die du mindestens musikalisch nicht so magst, eine neue Generation an Punks entstanden, welche immer weider mal im Clinch mit den alten Punks stehen. Stichwort: T-Shirt an, T-Shirt aus FLINTA-Pogo oder wie man noch provozieren kann und darf. Du hast selbst in eurem neuen Song Hattinger Straße geschrieben “Ich würde alles noch mal genau so tun, aber kann das nicht, und das ist auch gut so.” Warum ist das gut so?
Weil es ja nicht geht. Ich kann nicht die Zeit zurückdrehen. Ich kann nicht alles noch mal genauso machen, denn diese Zeit ist vorbei. Ich bin älter, Bochum hat sich verändert, die Hattingerstraße hat sich verändert. Die haben die ganze Straße aufgerissen und umgebaut. Ich würde halt sagen, die Shitlers sind eine Band, da gibt es eine Altersgrenze. Das kann man eigentlich erst ab 25 Jahren hören.
Jetzt gibt es aber Leute, die trotzdem sagen, dass früher alles besser war und lieber die Zeit zurückdrehen wollen. Einen habt ihr auf eurer neuen EP selbst angesprochen: Wolfgang Wendland, der Sänger, der Kassierer. Der wettert auf Facebook gegen die Grünen und gegen das Gendern. Warum habt ihr das so explizit angesprochen?
Das ist ein Song über einen Facebook-Auftritt von Wolfgang, wo er immer wieder mit politischen Statements gegen regenerative Energien und gegen das Gendern in Erscheinung getreten ist. Also traditionelle Position, die einen Lebensstil, eine Energiepolitik und eine gesellschaftliche Ordnung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kultiviert – und sich zurückwünscht. Dieser Facebook-Grind – wie die jungen Leute heute vielleicht sagen würden – der hat mich interessiert. Ich fand das immer faszinierend, wie der Typ sich für diese traditionellen Sachen einsetzt. Ich will da jetzt gar nicht politisch drüber diskutieren, das sind ja alles legitime Positionen. Also zu sagen: Ich will am Verbrennungsmotor festhalten, ich will Atomenergie behalten, ich bin gegen Gendern. Das ist im Rahmen unserer politischen Kultur total normal. Aber ich fand das interessant, wie jemand, der immer so nonkonformistisch, gesellschaftskritisch und provokativ aufgetreten ist, jetzt so völlig systemkonforme und systemstabilisierende Sachen sagt. Und gleichzeitig aber auch seine Rolle als Nonkonformist dieses Die-Leute-vor-dem-Kopf-stoßen beibehält. Im Rahmen von Punk macht er das ja und viele ärgern sich darüber.
Das Nonkonformistische nehmen aber heutzutage auch manche aus der AfD auf. Nach dem Motto: ”Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.” Nehmen die da dem Punk die Mittel weg?
Man kann das natürlich so sehen, wenn Punk nur noch Provozieren oder den Zeitgeist irgendwie mit kontroversen Meinungen vor den Kopf stoßen ist. Dann geht das natürlich mit rechten Argumenten auch. Und wenn man sich Punk so anguckt, dann sind da natürlich auch viele Momente drin, die total reaktionär und konservativ sind. Ob das jetzt Männerherrschaft ist oder irgendwie so eine hierarchische Statusordnung. Es ist auf jeden Fall ein Missverständnis zu sagen, Punk ist genuin links. Punk ist vielleicht antiautoritär, aber es ist nicht links im Sinne, dass es eine Verteilungspolitik von oben nach unten gäbe. Aber diese neuen, jüngeren Punks machen sich ja auch für Antidiskriminierung stark und das find ich auch gut.
Aber warum Regen sich dann so viele über FLINTA-Pogos und “Lasst eure T-Shirts an”-Apelle auf? Ist das einfach nur ein Generationenkonflikt?
Ich habe keine Ahnung. Ich habe neulich eine Anfrage von jemandem auf Facebook gekriegt, der hieß “Oberkörperfrei im Punk”. Das ist wirklich jemand, der sagt, mein einziges Anliegen ist es, dass man sich weiterhin bei Punkkonzerten oberkörperfrei bewegen darf. Und mich hat das richtig erschrocken. Also wahrscheinlich hast du recht, das ist ein Generationenkonflikt, wo die Alten befürchten, die Deutungsmacht zu verlieren. Die dann sehen, da sind jüngere Leute, die machen das, was wir mal für uns reklamiert haben, auf einmal total anders. Dann fühlen die sich so, als würde ihnen was weggenommen. Was ja auch so ist, denen wird ja auch was weggenommen.
Kann man überhaupt in Würde altern als Punk?
Ich weiß es nicht. Ich habe natürlich Angst davor, im Alter mal alleine da zu sein mit irgendsoeinem Sendebewusstsein, das mich dann dazu bringt, die ganze Zeit irgendwelche kontroversen Sachen von mir zu geben, die die meisten Leute eigentlich merkwürdig finden.
Du hast mal in einem Interview gesagt, dass dich diese Tragik hinter einem alternden Punk Sänger auch ein wenig fasziniert. Jetzt wo ihr wieder zurück seid, könnte auf die EP ein Album folgen. Wird es dann da einen Song über alternde Punks geben?
Es wäre vielleicht gut so ein Lied über sich selbst zu schreiben. Darüber, wenn man alt ist und versucht, die Deutungsmacht über Punk zurückzugewinnen. Das ist schon eine lustige Idee. Ich würde mich sehr freuen, das zu machen. Ich kann es nur im Moment nicht, weil mir die Energie dazu fehlt, Songs zu schreiben. Es wäre schade sich zu verabschieden mit dieser EP, jetzt wo die Band wieder so gut funktioniert. Aber irgendwoher müssen die Songs kommen und das sehe ich gerade nicht.
Müsst euch halt einfach Feature Gäste holen. Kannst ja Team Scheiße fragen!
Ja, ich hab letztens das neue Eminem-Album gehört, das ist ja im Prinzip auch nur ein halbes Album, weil so viele Features drauf sind. Mit Team Scheiße würd ich gerne mal zusammenarbeiten, möchte ich mir “total super” finde. Der hat so eine interessante Art der Sänger.