Back to the "No Future" Fucking Angry zeigen, warum Punk heute wichtiger denn je ist
Wie kann Punk wieder relevanter werden? Fragt sich die Bonner Punkband Fucking Angry und steht damit stellvertretend für eine neue Punk-Generation. Sie besingen Aussichtslosigkeit, Utopien und ermorden Gott.
"No Future". Das war der große Slogan der englischen Punkbewegung, der auf das berüchtigte Stück "God Save The Queen" der Sex Pistols aus dem Jahr 1977 zurückgeht. "No Future" war der Ausdruck von Pessimismus und Verzweiflung. Doch nach dem Ende des kalten Krieges und der nuklearen Bedrohung geriet er in Vergessenheit. Bis jetzt: "Das hier wird unser letzter Weg, langsam geht es jetzt vorbei, alles ist am Arsch und Dreck, es wird Zeit wir müssen weg", singt die Bonner Punkband Fucking Angry in ihrem neuen Song "Dunkelheit".
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F*cking Angry - Dunkelheit (Video)
Zusammen Richtung Dunkelheit
"Dunkelheit" ist der erste Song ihres neuen Albums "…Still Fucking Angry". Wie viele Punkbands aktuell beleben auch die Bonner "No Future" wieder, nur eben auf Deutsch. Im Refrain singen sie: "Wir können hier nichts mehr verlieren, scheint auch keinen zu interessieren. Komm, wir gehen zusammen Richtung Dunkelheit!" Dass diese Aussichtslosigkeit im Punk überhaupt nochmal Thema werden würde, sagt Fucking Angry-Gitarrist Daniel, sei für ihn überraschend gekommen. "Dieses No-Future-Ding, dachte ich in meiner Jugend: Das gibt’s ja gar nicht mehr." Die Punks früher hätten das noch mehr gelebt, die Angst vor der atomaren Katastrophe, vor dem dritten Weltkrieg. Doch die aktuelle politische Lage hat bei Fucking Angry zum Umdenken geführt. Klimakrise, Krieg, Rechtsruck. Für eine junge, progressive Generation sei das eine ganz schön aussichtslose Zukunft, sagt Daniel. "Im Endeffekt kommt diese Stimmung wieder, zumindest bei mir", erzählt der Gitarrist. "Ich habe auch bei allem Optimismus, den ich hege, sehr viele pessimistische Gedanken, wenn ich an die Zukunft denke."
Wie Punk musikalisch vielfältiger wird
2012 haben sich Schlagzeuger Gabo und Gitarrist Daniel zusammengetan – und haben dann im Bonner REWE-Markt Sängerin Beckx angequatscht, die davor schonmal bei einer anderen Band gespielt hatten. Eine klassische Punk-Origin-Geschichte also. Nach dem ersten Album, das in der deutschen Punk-Szene 2015 sehr gefeiert wurde, kam lange nichts. Man hat sich Zeit gelassen, versucht musikalisch vielfältiger zu werden und experimentiert jetzt auch mit Dub- und Reggae Sounds. Es erklingen dann obligatorische Vier-Akkord-Gassenhauer wie "Hoffnungsloser Optimist", aber auch Hardcore-Punk Nummern wie "I Killed God". Und die Bonner Punkband hat neben dem Gottesmord auch noch andere große Pläne. Fucking Angry wollen Punk "endlich wieder relevant machen".
Wie wird Punk wieder relevant?
Sängerin Beckx erzählt zum Beispiel, dass der Punk ihr in ihrer Jugend sehr geholfen hat. Das wünscht sie sich auch für andere junge Menschen. "Was ich selbst in meiner Jugend erlebt habe: Dass ich aus einem ärmeren Umfeld kam und da einen Kreis gefunden habe, wo ich willkommen war. Wo es scheißegal war, ob du Kohle hattest oder nicht", sagt Beckx. Die Kids von heute, die den ganzen Tag auf TikTok hängen, würden keinen Punk hören. Dabei brauche es den Punk eigentlich gerade jetzt. Um den Social-Media-Individualismus zu bekämpfen und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Warum das gerade der Punk kann, erklärt Schlagzeuger Gabo. Für ihn kam das Erweckungserlebnis, als er zum ersten Mal auf einem Konzert war. "Das war auch bei mir der Punkt, dass ich gesehen habe: Ah krass, es ist gar nicht Band und Publikum, sondern es ist alles und jeder kann auf der Bühne stehen." Gabo war begeistert. Das schöne für ihn: "Es muss nicht gut sein, es muss aber authentisch sein. Und das ist ein Punkt, der bei anderen Musikrichtungen nicht der Fall war."
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F*cking Angry - Broken (Video)
Wie Fucking Angry Punk politisch relevant machen
Außerdem adressiert der Punk die großen politischen Fragen unserer Zeit, sagt die Band. Und das anders als Mainstream-Acts wie Taylor Swift, die neuerdings zwar die weibliche Wut verkauft, aber natürlich keine großen Systemfragen stellt. Fucking Angry gehen hier weiter, machen zum Beispiel Solidaritätsaktionen für Rojava. Rojava ist die feministische, kurdische Region in Nordsyrien, die ein neues, demokratisch-föderales System ausprobiert. Was Gabo daran begeistert: "Da ist Krieg, und die Leute da bleiben Menschlich. Die sagen: Wir wollen es besser machen, wir haben eine Perspektive. Wir wollen, dass hier alles grüner wird, dass Frauen genauso viel zu sagen haben wie Männer, was in der Region eben nicht selbstverständlich ist."
Auch Gitarrist Daniel meint, dass wir uns von den kurdischen Revolutionärinnen einiges abschauen könnten. Zum Beispiel die rätedemokratische Selbstbestimmung. Sie sei eine konkrete Utopie für ein besseres Leben. "Natürlich ist da nicht alles supergeil", sagt er. "Aber den Leuten, die dafür gesorgt haben, dass der IS da nicht die absolute Vorherrschaft bekommt, wird viel Scheiße angetan im Moment." Mit Solidaritätsaktionen will Fucking Angry deshalb mehr Aufmerksamkeit schaffen für Rojava – auch, weil sich der politische Diskurs, selbst unter linken Punkfans, derzeit vor allem auf den Nahen Osten konzentriert. Na also, aller "No Future" zum Trotz: Für Fucking Angry ist doch noch nicht alles komplett am Arsch.