Schlager in the Hype Ist Schlager jetzt Pop – oder kann das weg?
Hossa! In der Gen Z hat man mit ihm wenig Berührungsängste und auch die Pet Shop Boys singen neuerdings über Glühwein, Wurst und Sauerkraut. Warum Schlager plötzlich (wieder) hip ist und was Roland-Kaiser-Konzerte mit dem Berghain gemeinsam haben.
Nicht erst seit dem kometenhaften Hype um Helene Fischer ist Schlager wieder in die Öffentlichkeit geraten. Nach einer Statistik des deutschen Musikinformationszentrums hört fast die Hälfte der Deutschen gerne Schlager. In der Generation Z wird Schlager auch immer beliebter. Roy Bianco und die Abbrunzanti Boys oder die Flippers sind dort Stars. Und auch das britische Elektro-Pop-Duo "Pet Shop Boys" liebt Schlager. Auf ihrem neuen Album "Nonetheless" haben sie dem Genre sogar einen Song gewidmet: "The Schlager Hit Parade" und singen von "Glühwein, Wurst und Sauerkraut". Aber woran liegt das, dass Schlager wieder so hip ist?
Schlager war nie weg
Vermutlich daran, dass Schlager im Grunde nie weg war. 1956 singt Freddy Quinn in seinem Lied "Heimweh", über die Sehnsucht nach Zuhause. Dieser Song gilt als der erfolgreichste Schlager Deutschlands. Er wurde weltweit acht Millionen Mal verkauft. Schlager war seit seiner Entstehung, in den 50er-Jahren, schon immer einer der erfolgreichsten Musikstile, die es in Deutschland gibt.
Der Grund dafür liegt auf der Hand, erklärt Felix Thiesen, Professor für systematische Musikwissenschaft an der TU Dortmund. Die Gefühlsthematisierung im Schlager, sei sehr explizit. Das spräche viele Menschen einfach sehr direkt an, weil es ihre Gefühlswelt widerspiegelt, weil im Schlager Themen verhandelt werden, mit denen man sich leicht identifizieren kann. Liebe, Romantik, Sehnsucht. Thiesen hat dazu eine Inhaltsanalyse durchgeführt von 550 Songs, bei denen man sehen konnte, dass in 75 Prozent aller Schlager Liebe, und zwar auf eine relativ konservative Art und Weise verhandelt wird, und das ist mehr als in den meisten anderen musikalischen Genres.
Im Schlager gibt es so gut wie keine PoC oder Schwarze
Laut einer Umfrage des Allensbacher Instituts von 2023 gaben rund 20 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren an, dass sie gerne Schlager hören. In der Gruppe der über 70 Jährigen werden es dann bis zu 45 Prozent. Schlager Podcasts, wie "Marmor, Stein und Inéz spricht" oder "Oliver Polaks Schlagertalk" laufen wie die Feuerwehr. Musikerin und Sängerin von Ätna, Inéz Schaefer, ist Host von "Marmor, Stein und Inéz spricht". Inéz glaubt, das Schlager schon immer viel Öffentlichkeit bekommen hat. Zu sehen an den vielen Shows, die bei ARD und ZDF rauf und runter laufen. Und vermutlich hat das, in der letzten Zeit das jüngere Publikum noch mal mehr abgeholt.
"Ich glaube, dass Schlager niemanden ausgrenzt, zumindest der positive, nicht total sexistische Schlager."
Inéz, Musikerin
Schlager bezöge ihrer Ansicht nach alle ein und schließe niemanden aus und das sei seine ganz große Stärke. Das sehen natürlich nicht alle so. Viele finden die Heimattümelei, den Konservatismus und die traditionellen Mann-Frau-Klischées sehr abschreckend und ausschließend. Auch gibt es außer Roberto Blanco keine bekannten People of Colour oder Schwarzen in der Schlagerszene. Vielleicht auch deshalb gehen heute die Verkaufszahlen von Schlager kontinuierlich runter, zumindest laut einer Statistik vom Allensbacher Institut von 2023. Trotzdem findet Schlager mehr Akzeptanz, beim jüngeren Publikum. Besonders der massenwirksame Schlager ist erfolgreich, beobachtete die Uni Paderborn schon in einer Analyse 2020. Erfolgreichste Künstlerin in Deutschland ist zur Zeit Beatrice Egli, die singt straight alles in deutscher Sprache und das hat laut Musikwissenschaftler Felix Thiesen einen großen Einfluss auf unseren Musikgeschmack.
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Pet Shop Boys - The schlager hit parade (Official Audio)
Im Schlager und bei Konzerten geht es ums Herz oder eine Etage tiefer
Verständlichkeit von Sprache ist in unserer globalisierten Welt immens wichtig. Viele Menschen, die Englisch eben nicht wie Muttersprachler:innen verstehen können, profitieren davon, dass im Schlager Themen in ihrer Sprache gesungen werden, die sie eben sprechen und verstehen können. Die Verständlichkeit ist also ein wichtiger Faktor. Aber auch das Themen Spektrum. Roland Kaiser, sagte in einem Interview mit Oliver Polak, es gehe entweder ums Herz oder eine Etage tiefer. Das wissen Kaiser-Fans, fast jeder kennt seinen Schlager "Manchmal möchte ich schon mit Dir… ", aber Kaiser ist beileibe nicht der Einzige, der mehr oder weniger sexuell aufgeladene Texte oder Stücke in seinem Repertoire hat. Und das, obwohl Schlagerfans als eher wertekonservativ gelten. Aber in Sachen Sex macht sich das wohl nicht bemerkbar. Der Podcasterin Inéz wurde erzählt, dass bei Roland-Kaiser-Konzerten, Geschlechtsverkehr im Publikum während des Konzertes stattfindet.
Sex vor anderen Leuten klingt eher nach Berghain. Aber die Grenzen zwischen Schlager und Pop-Musik sind heute eher fließend. Andreas Bourani macht Pop, man könnte seine Musik aber auch dem modernen Schlager zurechnen. Helene Fischer macht wiederum Schlager, ihre Musik könnte man aber auch der modernen Pop-Musik zurechnen. Und außerdem ist Schlager nicht gleich Schlager. Es gibt Volksmusik, 70er-Jahre-Schlager, Italo-Schlager, Deutsch-Pop und Ballermann-Schlager.
Italo-Schlager ist in Italien normaler Pop
Der Italo-Schlager, wie wir ihn hier nennen, gilt in Italien als normale Pop-Musik. Ricchi e Poveri, Eros Ramazotti oder zeitgenössische Popstars wie Neffa oder Laura Pausini werden dort nicht wie Schlagerstars in Deutschland geschmäht. Das gilt auch für Liedermacher, Cantautori, wie sie in Italien heißen, die selbst bei italienischen Jazzern oder anderen Musikfans hohen Respekt geniessen. Diese in Deutschland manchmal fast schon arrogante und abwertende Haltung Musikfans anderen Genres gegenüber, gibt es in anderen Ländern nicht in dieser Form.
Eine tolantere Grundeinstellung schimmert da eher bei den jüngeren Fans durch. Vielleicht ist der Schlagerboom der Generation Z auch Teil der selbstreflektiven Haltung der Gen Z zu sich und ihrer Mental Health und eben auch zu ihrer eigenen Emotionalität. Vielleicht hat diese Generation dadurch ein entspannteres Verhältnis zu diesen sentimentalen Schlagersongs. Möglicherweise entsteht durch diese sehr selbstgewusste Haltung ein besseres musikalisches Selbstverständnis und Gen Z muss Schlager nicht als nur heimliches "Guilty Pleasure" hören. Sie üben jedefalls keinerlei Zurückhaltung, wenn auf Partys Ballermann-Schlager gespielt wird.
Sexistische Texte und schlichte kompositorische Struktur
Obwohl genau der für den eher schlechten Ruf des Genres sorgt. Die Texte dort à la "Geh mal Bier holen, Du wirst schon wieder hässlich" oder "Schöner, jünger geiler, Leyla" sind oft sexistisch. Auch wird von Kritikern moniert, dass die kompositorische Struktur der Schlager eher schlicht sei. Die Texte bisweilen redundant. Aber sind wir doch mal ehrlich: das gibt's auch im Folk, Pop, Rock oder Hip Hop. Am Ende gilt, Musik soll berühren, und solange sie nicht ausgrenzt, ist wen was berührt Privatsache.