Bayern 2 - Zündfunk

Schorsch Kamerun in Thüringen "Die Wut kenne ich natürlich"

Schorsch Kamerun war zur Landtagswahl in Thüringen, um Quietschemusik und -kunst zu machen, solange das noch geht – und um mit den Menschen dort ins Gespräch zu kommen. Die Wut der Leute kennt er als Punk natürlich. Aber eine Sache habe sich doch sehr verschoben.

Von: Achim Bogdahn, Bärbel Wossagk

Stand: 08.10.2024

Schorsch Kamerun | Bild: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jens Kalaene

"Schnell noch mal die Kunst aufführen, bevor die AfD sie abschafft", war die Überschrift zu einem Bericht im Spiegel über die Performance-Reihe von Schorsch Kamerun zur Landstagswahl in Thüringen .Der Theatermacher und Sänger der Goldenen Zitronen war vor Ort in Weimar, um über die Kunst mit den Menschen vor Ort in Interaktion zu treten und mit der Frage im Hinterkopf: "Was würde sich verändern, wenn die Rechten mehr Macht bekommen?" Wir haben ihn um Antworten auf Basis seiner Erfahrungen dort gebeten und den Song "GEGENÜBER" bekommen.

Achim Bogdahn: Du hast für uns das Lied "GEGENÜBER" (siehe weiter unten) produziert. Ein Lied, das viele Fragen aufwirft. Vor allem zunächst mal zur Entstehung. Erzähl uns doch ein bisschen darüber. 

Der Song begleitet eine Zeit, die ich auf dem Kunstfest in Weimar im Sommer hatte. Ich hatte die Idee, Reizthemen auf der Straße zwischen den Bürger*innen aufzunehmen und die zur Disposition zu stellen. Und zwar eine Weile vor und nach der Thüringen-Wahl, die wir ja alle begleitet haben, eine Woche vorher und eine Woche nachher. Und daraus habe ich so ein Wahl-Watching gebastelt, das lief auch auf ARD-Kultur. Das kann man sich da auch immer noch angucken, wenn man Lust hat. So kleine Clips.

Wir sind dann auf den Straßen gewesen, um mit Leuten zu sprechen. Und wir haben auf dem Theaterplatz, wo Goethe und Schiller sich auch per Denkmal groß aufhalten, Gespräche geführt und kleine Performances gemacht mit ganz unterschiedlichen Leuten. Und die unterschiedlichen Leute hatten zu tun mit den Themen, die ich als Reizthemen bezeichnet habe. So etwas wie Erinnerungskultur oder Kreuzberger*innen, Stichwort "Wir sind hier in Bayern und nicht in Kreuzberg", oder auch mal Hexen. Oder ähm der "Staatsfunk" zum Beispiel. Der Staatsfunk, ihr wisst es, der vielleicht gefährdet ist.

Achim Bogdahn: Der ja kein Staatsfunk ist. 

Ja, ja, vielleicht. Aber er ist ein Zwang? Nennen wir ihn Zwangsfunk.

Bärbel Wossagk: Ja, manche nennen das so. 

Also über Zwangsgeld. Ganz genau. Ja eben, das ist ja auch zum Teil lustig und zum Teil nicht. Ich wollte aber eben so naiv reinfragen, wie diese Themen jeweils da so ankommen. 

Bärbel Wossagk: Hatte dich irgendwas mehr irritiert, als du dachtest? Musstest du bei irgendwas schärfer nachdenken, als du vorher erwartet hattest?

Jein. Das geht tatsächlich leider auch wirklich zum Teil sehr auseinander die Wahrnehmung, die Haltung zu bestimmten Sachen. Man kann sich in Gespräche vertiefen und verwickeln lassen. Manchmal gibt es auch eine Abfuhr oder es geht so in Richtung "Lügenpresse". Oder ich habe Sätze gehört wie "Wenn ich könnte, wie ich wollte, dann würdest du hier nicht mehr sein" und so weiter. Das ist leider doch tatsächlich sehr aufgeladen. Und unsere Idee war, Räume aufzumachen. Räume, in denen man sich noch unterhalten kann. Das hat eigentlich auch ganz gut geklappt.

Was wir da so auf dem Platz erlebt haben, das nahm eigentlich zu, an Publikum und Interesse, aber auch ein Stück weit an Teilnahme. Die Leute haben sich ganz gut beteiligt an den Diskussionen, die wir dort hatten und dann auch recht konstruktiv, aber manchmal eben auch qua purer Ablehnung. Ich fand, das war eigentlich auch eine richtig gute Zeit.

Exklusiv-Track: Schorsch Kamerun – "Gegenüber"

Achim Bogdahn: Jetzt kommst du ja ursprünglich aus der Punkszene. Das heißt, du bist Widerspruch gewohnt. Das hast du sicher auch damals so in Schleswig-Holstein erlebt, wie das war. So ähnlich wie bei Rocko Schamoni in "Dorfpunks" auch nachzulesen. Dass man auch Wut abkriegt von anderen. Jetzt ist aber diese Wut ja im Moment raumgreifend. Wie erklärst du dir, dass im Moment das Klima so extrem gereizt ist im Land und so polarisiert?

Die Wut von der du jetzt sprichst, kenne ich natürlich. Und die ist inhaltich auch immer noch sehr ähnlich. Das geht um Ablehnung, von dem sogenannten Anderen, oder aber auch der sogenannten Fremde. Da hat sich gar nicht so viel getan. Was sich sehr verschoben und sehr geändert hat, ist, glaube ich, der Anspruch, und jetzt mal wirklich eher von rechts, dem habhaft zu werden und da auch wirklich insgesamt eine andere Machtposition zu entwickeln. Die wird ja auch lauter und größer. Und die Wähler*innen gehen das ja auch mit. Das hat sich verschoben. 

Bärbel Wossagk: Die ganze Aktion, die du dort gemacht hast, das Sprechen mit den Menschen. In welche Richtung hatte Dich das bewegt? Wie siehst du das als Fazit? Deprimierend oder ermunternd oder irgendetwas dazwischen? 

Was mir auch noch auffiel, war diese Diskussion um die sogenannte Blase, in der wir uns jetzt gerade unterhalten, ja möglicherweise stecken sollen. Das, glaube ich, sollte man mal aufhören, ständig von sich selbst zu behaupten. Weil es einfach Schwachsinn ist. Man gerät in so eine komische Verteidigungshaltung.

Wir sind nicht die Blase. Wir sind die, die miteinander umgehen und eine Verträglichkeit aushalten wollen. Deswegen habe ich das da so erlebt, dass ich anfangs dachte: "Scheiße, ich bin Blase." Und dann aber auch irgendwie nach und nach gemerkt habe: "Hey, wir quatschen über dieselben Sachen." Man braucht die die Orte, die Agora, die Plätze und so weiter und muss sich unbedingt begegnen! Dieses aus der Entfernung lustig schießen und so Kram, das bringt echt keinen Bock mehr, finde ich. Irgendwie direkter werden, habe ich das Gefühl.