Ikkimel ist Rapperin aus Berlin-Tempelhof: gefeiert von der Gen-Z und Zielobjekt für viel Liebe, aber auch sehr viel Hass. Denn, wie sie selbst in ihrem Song "Bikini Grell" singt: Vielen ist sie ein bisschen zu krass. Denn Mel rappt über Sex.

Wie feministisch ist Ikkimel und ihr Debütalbum "Fotze"

Ikkimel heißt eigentlich Melina Strauß, ist Anfang 20 und hat einen Bachelor in Linguistik. Und sie rappt, ja. Aber auf 4-to-the-Floor-Beats. Also Rap gemixt mit Genres wie House, Trance oder Hyperpop. Seit 2023 ist sie wie auch Apsilon, Max Herre oder Domiziana bei Four Music gesignt, in den letzten zwei Jahren ist ihr Bekanntheitsgrad enorm gestiegen, auch dank TikTok, und jetzt hat sie ihr Debütalbum veröffentlicht: "Fotze".

Ihre Musik ist wie der Titel: voll auf die zwölf. Oder wie andere sagen würden: anzüglich. Schon seit Ikkimel ihre ersten Tracks veröffentlicht hat, steht sie in der Kritik für ihre Attitüde, ihre Texte, und das, was sie in ihren Videos trägt. Oder eher nicht trägt. Auf YouTube. Auf TikTok. In Podcasts. Überall wird die Causa Ikkimel eruiert: zu nackt, zu viel Sex, zu schlampig. Und immer wieder wird dabei auch DIE eine Frage gestellt: Wie feministisch ist die Rapperin eigentlich?

"Ich glaube, ich bin nicht in der Position als Melina dir zu erklären, wie feministisch Ikkimel ist. Ich mache das auch nicht so gerne tatsächlich, dass man seine Kunst erklärt", sagt Melina über ihre Kunstfigur. Als Melina kenne sie außerdem ihre politische Haltung und Position. Und die sei auf jeden Fall feministisch.

"Ich bin dadurch weder billig noch weniger schlau"

Ob man das immer in die Kunst tragen müsse und ob man das nicht einfach raushalten kann, sei jedem selbst überlassen, findet die Künstlerin. So sei sie als Person einfach sexuell sehr offen und findet:

Und die Diskussionen um Ikkimel erinnern doch sehr an ähnliche Vorwürfen aus 50 Jahren Rapgeschichte: Da verdirbt angeblich ein schlechtes Vorbild die Ohren unserer Kinder und beteiligt sich an der Unterdrückung von Frauen. Zu viel Sex ziehmt sich nicht.

Mehr Security auf Konzerten?

Von solchen Aussagen kann auch Lady Bitch Ray aka Dr. Reyhan Şahin ein Lied singen, die man vielleicht als eine Art Godmother von Ikkimel bezeichnen könnte. "Diese Kritik, die wir heute erleben. Dieses Echauffieren über Frauen, die über ihre eigene Sexualität sprechen und sie zeigen, ist leider sowas von typisch für die Gesellschaft, in der wir leben", sagte Şahin dem Zündfunk in einem Interview 2021. "Das gehört für mich in die Kategorie sexistische Doppelmoral."

Şahin wurde 2006 nicht mehr als Moderatorin bei Radio Bremen eingesetzt – nachdem sie ihre sexuell freizügige Musik veröffentlicht hatte. Zumindest da scheinen wir heute weiter. Ikkimel spüre da keine realen Konsequenzen des Online-Hasses. Hier und da habe sie sich allerdings schon gefragt, ob sie aufgrund des Hasses jetzt mehr Security auf Konzerten brauche: "Leute verstehen Ikkimel vielleicht jetzt besser als vor einem halben Jahr, wo sie erstmal extrem schockiert waren."

Ikkimel: "Besonders Männer dürfen sich an die Nase fassen"

Die Mucke von Ikkimel ist nicht für jeden. Man könnte anprangern, dass Ikkimel in ihrer Überspitztheit immer nur positiv über ihren sexuell freizügen Lifestyle rappt. In der Realität kann der für Frauen im Patriarchat aber auch Negatives bedeuten: die Angst, ausgeraubt, vergewaltigt, unter Drogen gesetzt zu werden. Oder man könnte kritisieren, dass sie den Male Gaze reproduziert und all die Vorurteile über sexuell freizüge Frauen: dumm und nicht mit Respekt zu behandeln. Oder dass sie den Drogenkonsum von Kokain und Ketamin verharmlost.

Aber: Warum verlangen wir eigentlich vor allem von MusikerINNEN, sich in Sachen Feminismus zu positionieren und das Patriarchat anzuprangern? Das fragt sich auch Ikkimel: "Ich finde, dass sich da besonders die Männer mal an die Nase fassen dürfen. Ich glaube auch, dass viele Rapperinnen früher sich deswegen auch gezielt gar nicht zu dem Thema geäußert haben. Weil sie überhaupt keinen Bock hatten auf diese ganze Debatte. Ich meine, ich mache es trotzdem, weil es mir einfach ein sehr, sehr wichtiges Anliegen ist. Aber ich hab auch keinen Bock das Sprachrohr der Nation zu werden. Ich finde, Feminismus geht uns alle was an."

"Süße, mach dich locker, ich hab noch nicht mal angefangen"

Auch Männer singen häufig übers Bumsen, ohne viel Metaebene oder Slogans gegen das Patriarchat. Wie feministisch ist z.B Ed Sheeran, wenn er singt "I’m in love with the shape of you" – oder Bruno Mars mit seiner neuen Single "fat, juicy & wet, i don't even gangbang, pussy so good, make it my pet".

Am Ende sind wir also wieder bei der Frage: Was darf Kunst? Die Antwort: So einiges. Genauso wie wir. Wir dürfen Ikkimels Musik scheiße finden. Gefährlich ist sie aber nicht. Gefährlich wird es nur, wenn wir als Gesellschaft unsere Prüderie und unsere Verachtung für sexuell offene Frauen auf sie projizieren. Oder wie Ikkimel rappt: 

"Fotze" von Ikkimel ist am 14.02.2025 bei Four Music (Sony) erschienen