Bayern 2 - Zündfunk

Feminismus, Designs und Mode-Klischees "Es kostet eine Menge Geld, so billig auszusehen"

Die Münchnerin Jovana Reisinger ist Künstlerin, Kolumnistin, Selbstdarstellerin und Autorin. Jetzt hat sie ein Manifest für Luxus und Lust geschrieben. "Pleasure", heißt ihr neuestes Buch und spielt mit Stereotypen und dem, was man ein gutes Leben nennt.

Von: Sandra Limoncini

Stand: 25.10.2024

Jovana Reisinger in einer Buchhandlung in München | Bild: picture alliance / SZ Photo | Friedrich Bungert

Zündfunk: Welche Rolle spielt Luxus oder Glamour in ihrem Leben? Was mögen Sie daran? 

Jovana Reisinger: Ich gehe davon aus, dass man Glamour und Luxus unterscheiden kann und irgendwie vielleicht voneinander trennen muss. Also das Eine bedingt natürlich irgendwie das Andere und die beiden bedienen sich gegenseitig, aber Glamour könnte ja auch so etwas sein wie eine Behauptung oder eine Pose. Also zum Beispiel: Das tolle Kleid und hohe Schuhe oder der Strassschmuck oder so etwas in die Richtung, das könnte ja glamourös wirken. Es gibt zum Beispiel auch diese tolle Idee, damit eine Brüchigkeit oder eine Deplatzierung zu erzählen. Die Frage ist ja: Was ist eigentlich glamouröser mit dem tollen Abendkleid auf dem roten Teppich zu sein und man wird fotografiert? Und ist es ein großes Ding mit diesem tollen Abendkleid in einem Imbiss zu sitzen und einfach Pommes zu essen? Ich bin wirklich der Überzeugung, dass mit diesem tollen Kleid im Imbiss zu sitzen wesentlich glamouröser ist. Das Erstere ist ja sehr vorhersehbar. Das Andere ist ja genau das, was es sein soll. Ein Moment von Ausgestelltsein von Exaltiertheit. Wohingegen die Situation mit dem Kleid im Imbiss, das hat einen Bruch, weil es gibt diese Diskrepanz. Die Frage ist, warum ist diese Person so angezogen an diesem Ort? Ich mag es ganz gerne, wenn es irgendwie deplatziert ist. 

Auf der anderen Seite spielen sie ja genau mit dem umgekehrten Bild: Kleine Designer Handtasche, lange Nägel, Mode, Straß. Sie zitieren in Ihrem Buch auch diesen Dolly-Parton-Satz: "Es kostet eine Menge Geld, so billig auszusehen". Damit spielen sie ja genau mit dem Umgekehrten, also tussihaft auszusehen, aber dann auf so einer hochtrabenden Veranstaltung zu stehen. 

Diesen Dolly-Parton-Satz, den finde ich so spektakulär, weil diese Aussage stimmt einfach auch. Damit offenbart sie aber, was billig eigentlich meint und zwar billig bedeutet vulgär, billig, ist eine Abwertung. Es geht darum, sich abzugrenzen von einer Person, die so billig aussieht. Dolly Parton, die hat es doch einfach geschafft. Im Sinne von, die hat Geld verdient, die ist erfolgreich und berühmt. Dementsprechend ist es natürlich auch super, dass sie trotzdem diesen Stil so beibehält. 

Also man darf nicht so aussehen und dazu noch richtig schlau sein? Es ist bei Ihnen ja im Grunde auch nicht anders, sie tragen diese langen Nägel, sie ziehen sich, wie sie selber sagen, "tussihaft" an. Wollen sie erstmal unterschätzt werden, um dann mit ihrem scharfen Geist zu überraschen?

Naja, also zum einen kann ich das jetzt so beantworten und kann sagen ja, auf jeden Fall, aber zum anderen natürlich auch nicht. Als ich mit meinen ersten beiden Büchern auf Tour war, hatte ich oft das Erlebnis, dass man mich nicht so ganz ernst nimmt - vor allem als feministische, linke Autorin, wenn ich mich auf eine bestimmte Art und Weise kleide. Wie kann so eine, die aussieht wie du, solche Bücher schreiben? Und erst als ich dann verstanden habe, dass es natürlich auch da einen Abwertungsmechanismus gibt, innerhalb linker Strukturen oder der Literaturwelt und Hochkultur, erst dann konnte ich mich da langsam wieder herausbewegen. Ich habe in dem Moment festgestellt: Es gibt natürlich auch dem Ganzen eine sukzessive Kraft oder eine emanzipatorische Kraft, indem man diese Stereotype, die man ja offensichtlich bedient oder die ich dann bedient habe, irgendwie für sich zu nutzen weiß. Und es macht natürlich extrem viel Spaß, wenn man auf diese Art und Weise unterschätzt wird und andere Personen dann relativ schnell vom Gegenteil überzeugen kann oder zumindest beweisen kann, dass man durchaus fähig ist intellektuell zu denken. Dann ist es aber auch auf eine bestimmte Art und Weise öde, dass es so einfach ist. 

Würden Sie sich als Feministin bezeichnen? 

Ja, man muss wahrscheinlich eher fragen, in welcher Art von Feminismus oder? Weil ich gehe nicht davon aus, dass es den einen Feminismus gibt, sondern ich gehe davon aus, dass es viele verschiedene Feminismen gibt. Deswegen gibt es natürlich auch innerhalb der feministischen Kreise unterschiedliche Annahmen und Wahrnehmungen. Aber ich verstehe mich als Queerfeministin und ich denke, es gibt gar keinen anderen Weg. Sobald man empathiefähig auf die Ungerechtigkeiten dieser Welt blickt, wüsste ich gar keine Alternative als Feministin zu sein.

Würden sie so weit gehen und sagen, dass modische Outfits, kleine Designer Handtaschen, also eigentlich ja triviale Dinge, am Ende doch ein politisches Statement sind?

Mode ist auf jeden Fall ein Kommunikationsmittel und es kommuniziert in alle möglichen Richtungen. Also, es kann so viel aussagen und gleichzeitig auch irgendwie nichts, das ist ja das Tolle daran. Die Beschäftigung damit wird deswegen auch nicht öde. Es funktioniert als Rüstung, es funktioniert als Verkleidung. Wenn ich nicht weiß, was ich anziehen soll, dann nehme ich kleine Tricks aus meinem Drehbuch, Filmstudium oder Regiestudium. Da lernt man ja auch so gut zu beobachten. Ich überlege mir dann so kleine Mechanismen wie zum Beispiel: OK, welchen Charakter möchte ich mir gerade überstülpen, also was möchte ich jetzt gerade sein und dann weiß ich sofort, was hat dieser Charakter an, also was hat die in meiner Welt an, diese Figur, die ich jetzt gerade mir ausdenke. Dann kann ich mich viel besser anziehen und dann signalisiert es natürlich auch irgendwas und gleichzeitig gibt es auch Sachen, die mir helfen, mich geschützter zu fühlen. Also zum Beispiel alle meine Mäntel sind Herrenmäntel. Die sind mir natürlich viel zu groß und gleichzeitig legen Sie sich um meinen Körper wie eine Umarmung und sie verhüllen mich so ein bisschen, aber sie schützen mich auf eine Art. Dann gibt es andere Teile, wie zum Beispiel ultrakurze Kleidchen oder Röcke oder tief ausgeschnittene Sachen, die mir ein ganz anderes Gefühl geben. Die geben mir ein gewisses Gefühl von Stärke und gleichzeitig Fragilität. Also Mode kann schon funktionieren, auch als Kommunikationsmittel nach außen, was möchte ich transportieren, was möchte ich kommunizieren. 

"Pleasure": Jovana Reisinger, park x ullstein Verlag (320 Seiten, 22 Euro)