Bayern 2 - Zündfunk

Meinung: Keta & Krawall Ich habe eine Überdosis bayerische Drogenpolitik

Noch immer keine Lizenzen zum Cannabis-Anbau in Bayern. Die komplett aus der Zeit gefallene Drogenpolitik im Freistaat erzeugt bei unserem Autor schon Vergiftungserscheinungen. Weil sie einen auf Krawall macht – und die echten Probleme ignoriert. Ein Kommentar

Von: Ferdinand Meyen

Stand: 03.12.2024

Kiffer vor der CSU-Parteizentrale | Bild: picture alliance/dpa | Karl-Josef Hildenbrand

Wer die Drogen-Lieblinge der Gen Z kennenlernen will, muss nicht lange suchen. Es reicht schon ein Blick in die deutschen Streaming-Charts. Die Trend-Droge dort: Ketamin. "Keta und Krawall meine Nase ist wund", singt Technorap-Shootingstar Ikkimel. "Ugg Boots, Lederjacke, in der Tasche eine halbvolle Keta-Kapsel" heißt es bei Rapper Longus Mongus vom Kollektiv BHZ. Ketamin ist berüchtigt und gefürchtet dafür, Sinneswahrnehmungen und Raum-Zeit-Empfinden zu verändern, bishin zur Loslösung vom eigenen Körper. Konsumierende berichten auch von nahtodartigen Erfahrungen, Alptraum-Halluzinationen und kurzen Phasen von Gedächtnisverlust ("K-Hole").

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Ikkimel - KETA UND KRAWALL (prod. by Barré | Offizielles Musikvideo)

Mephedron, Ketamin und Crack

Wem Ketamin zu teuer ist, der könnte auch auf Mephedron ausweichen. Eine Art Badesalz mit amphetamin-ähnlichen Wirkungen. Und sehr günstig. Wer öfter in die Oberfpalz reist, setzt dagegen vielleicht eher auf Crystal Meth. Weil sich Hinweise auf ein Schmugglerzentrum dort verdichten. Wer dagegen in der Großstadt lebt, zeigt eine aktuelle Studie, hat in letzter Zeit vielleicht die Crack-Pfeife für sich entdeckt. Die bayerische Band Endlich Schlechte Musik bringt es auf den Punk(t): "Wenn ich an Grundschulen Crack verkaufe, stellt sich schon manchmal die Frage: Was ist eigentlich verkehrt mit dieser Jugend heutzutage?"

Die Nebenwirkungen der Beschäftigung mit CSU Drogenpolitik

Mich dagegen hat derzeit eine andere Trend-Droge ausgeknockt: Ich habe eine Überdosis bayerische Drogenpolitik. Es besteht so viel Handlungsbedarf. Eigentlich. Aber die Staatsregierung ignoriert einfach wichtige Fakten in der Debatte. Mein erstes Symptom: Schnappatmung. Wegen des Umgangs der bayerischen Behörden mit Cannabis. Gerade erst klagte ein Cannabis-Social-Club Gründer aus Forstinning dem BR sein Leid, weil er noch immer nicht anbauen darf: "In Bayern will man keinen Verein lizensieren." Es könne nicht sein, dass das auf Bundesebene legalisiert werde – man hier aber in Bayern davon nichts wissen wolle.

Die Realitäten verschwimmen

Da ist schon die nächste Nebenwirkung: Ich weiß nicht mehr, was real ist! Wurde Cannabis im April nicht teilweise legalisiert? Warum häufen sich dann die Berichte, dass die bayerischen Behörden den bayerischen Cannabis Clubs gezielt Anbau-Lizenzen verwehren? Und wie kann es sein, dass die Bayerische Regierung diese Vorwürfe auf BR-Anfrage zwar zurückweist, aber dennoch klarstellt: "Die Cannabis-Legalisierung ist und bleibt ein Fehler. Die Bundesregierung hat entgegen allen Experten-Warnungen vollendete Tatsachen geschaffen - das war völlig unverantwortlich." Ich reibe mir meine mittlerweile doch geröteten Augen, will eigentlich aufhören, aber die Beschäftigung mit der bayerischen Drogenpolitik zieht mich immer tiefer in den Abgrund. In Bayern gibt es noch immer keine einzige offizielle Cannabis-Anbau-Lizenz. Während der erste Verein in Niedersachsen schon erntet.

Söders Law and Order-Politik

Und alles dreht sich, wegen der Law and Order-Politik der CSU, die die Debatte völlig verzerrt. "Legalisierung von Drogen? No, No, nicht mit mir", sagt Ministerpräsident Markus Söder auf Instagram. Dabei sind es solche Aussagen, die die Debatte verzerren. Weil sie so tun, als seien Legalisierungs-Befürworter diejenigen, die die Schulhöfe dieser Republik mit Drogen versorgen. Dabei hat auch liberale Drogenpolitik das Ziel, den Konsum zu senken und zu regulieren – und kann damit auch erfolgreich sein. Historikerin Helena Barop verweist in der ZEIT auf Portugal. Das Land hat seit 2001 alle Drogen entkriminalisiert – bis 2017 sank die Zahl der Überdosistoten um mehr als 80 Prozent. Und Prävention wirke besser als harte Strafen – jeder Euro, den man hier investieren würde, spare später 17 Euro Folgekosten.

Sparen bei Prävention? Keine Gute Idee

Leider kann mir mit meiner Überdosis Drogenpolitik niemand mehr helfen. Denn die Suchtberatungsstellen sind aufgrund von Finanzierungsengpässen in ihrer Existenz bedroht. Drei Viertel der öffentlich finanzierten Suchtberatungsstellen können ihre Kosten in diesem Jahr nicht decken, schreibt der Paritätische. Und das obwohl wir aus den Streaming-Charts von Ski Aggu und Ikkimel wissen: "Deutschland säuft krank, Westen oder Osten. Alle Atzen natzen, alle Fotzen rotzen."

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DEUTSCHLAND 🇩🇪 – Ski Aggu, Ikkimel REUPLOAD (Musikvideo)

Microdosing könnte die deutsche Wirtschaft retten

Ich hab’s, denke ich kurz: Gezieltes Microdosing! Das könnte die Effizienz und Leistungsbereitschaft steigern. Beim Microdosing nimmt man schließlich immer wieder verschwindend geringe Mengen einer Droge, mit dem Ziel länger durchzuhalten. Das wäre die Rettung der deutschen Wirtschaft. Und Überstunden plus Rausch – das könnte auch der Grundstein einer zukünftigen schwarz-grünen Koalition sein! Oder geht die Überdosis Drogenpolitik jetzt komplett mit mir durch? Habe ich verwirrende Selbsttäuschungen?

Söders Keta-und-Krawall-Politik

Sicher ist jedenfalls, dass die Ski-Aggus, Ikkimels und Gen-Z-Popstars der 2020er Jahre lachen werden über die Drogenpolitik in Bayern. Die Cannabis-Social-Clubs das Leben schwermacht, während Experten schon befürchten, dass sich bald auch Fentanyl in Deutschland breit macht. Mit den wirklichen Problemen hat das, was Söder und co. propagieren jedenfalls wenig zu tun. Eher mit Keta und Krawall. Wahrscheinlich bin ich deswegen so süchtig.