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Meinung Der Shitstorm um „The Acolyte“ zeigt, wie unerträglich der Kulturkampf tobt

Die neue Star Wars-Serie „The Acolyte“ wird von den Fans zerrissen. Der Shitstorm zeigt, wie unerträglich der Kulturkampf mittlerweile geworden ist. Denn eigentlich geht es bei „The Acolyte“ um ganz andere Dinge als „Wokeness“.

Von: Ferdinand Meyen

Stand: 25.06.2024

Szene aus der neuen Star Wars Serie "The Acolyte" | Bild: Disney

Achtung – der Text enthält leichte Spoiler zur Handlung von „The Acolyte“ 

1,5 Sterne hat „The Acolyte“ bei den Bewertungen bei Google. Damit schneidet die Star-Wars-Serie noch schlechter ab als das laut Google am schlechtesten bewertete Restaurant Deutschlands, das Vonderbeck’s an der Moselpromenade in Cochem. Das kommt auf 1,6 Sterne. Obwohl das Schlagwort „Katastrophe“ in 888 Bewertungen 30-mal vorkommt und die Fleischgerichte laut den Gästen nur so in Fett triefen sollen, ist ein Besuch im Vonderbeck’s also insgesamt noch erträglicher als ein Serienabend mit „The Acolyte“. Zumindest, wenn man Google glaubt. 

„The Acolyte“ ist durchschnittlich, aber keine schlechte Serie 

Als ich mich aufs Sofa setze und das Disney+ Logo auf dem Bildschirm erscheint, rechne ich also mit dem Schlimmsten. Ich fühle mich wie kurz vor einer Mahlzeit im Flugzeug, wenn die Stewardess fragt: „Beef“ or „Chicken“? Tief in mir die Gewissheit, dass das jetzt gleich alles andere als ein Highlight wird. Und die dunkle Vorahnung, dass die Realität manchmal auch die schlimmsten Erwartungen noch unterbieten kann. Doch dann die Überraschung: So schlecht ist „The Acolyte“ nicht. Eigentlich ist die Serie einfach Durschnitt. Mit der besten Disney Star Wars-Produktion „The Mandalorian“ können die ersten vier Folgen (so viele sind gerade schon verfügbar) lange nicht mithalten. Aber 1,5 Sterne hat das, was Produzentin Lesley Headland sich da ausgedacht hat, wiederum auch nicht verdient. 

Darum geht es in „The Acolyte“ 

„The Acolyte“ erzählt die Geschichte zweier von Zwillingsschwestern 100 Jahre, bevor das galaktische Imperium die Kontrolle über die Galaxis an sich gerissen hat. Amandla Stenberg spielt die Sith-Akolytin Mae und die ehemalige Jedi-Padawanin Osha, die beiden Hauptcharaktere. Außerdem dabei: Lee Jung-jae als Jedi-Meister Sol, den viele noch aus seiner Titelrolle in „Squid Game“ wiederkennen dürften. Osha muss mit Sol nun eine Reihe von Verbrechen aufklären. Morde an Jedi-Meistern, die auf mysteriöse Weise erfolgen. Und in die ihre Zwillingsschwester Mae, die Osha eigentlich für tot gehalten hatte, auf irgendeine Weise verwickelt zu sein scheint. Ein bisschen schaut sich „The Acolyte“ deshalb auch wie eine True-Crime-Serie im Star Wars-Universum. Weniger Action und flotte Sprüche, mehr Detektiv-Arbeit. Auch wenn die Serie einen nur selten wirklich vom Hocker reißt, ist sie unterm Strich solide Sonntagabend-Unterhaltung geworden. So positiv wird man beim Flugzeugessen selten überrascht. 

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The Acolyte | Official Trailer | Disney+ | Bild: Star Wars (via YouTube)

The Acolyte | Official Trailer | Disney+

Der Kulturkampf führt zur Review-Bombing 

Warum also kommt „The Acolyte“ auf so katastrophale Bewertungen? Die Erklärung liegt im mittlerweile unerträglich ausufernden Kulturkampf. „The Acolyte“ ist Opfer von Review-Bombing geworden, spekulieren einige. Man könne auffällig viele neue Accounts beobachten, die die Serie gezielt schlecht machen – und die immer wieder dasselbe Thema ansprechen: Diversität. Auch bei Google sieht man das. „Die Dialoge sind grauenvoll, die Geschichte lückenhaft, Feminismus und Wokeness an jeder Ecke zu spüren“, schreibt ein Nutzer. „Ein weiteres Problem ist die offensichtliche und zwanghafte Wokeness, die in die Serie eingebaut wurde“, kritisiert ein anderer. Und ein weiterer macht – Überraschung – die Wokeness zur Ursache für das Scheitern von „The Acolyte“. Seine Begründung: „In so einem verblödeten Diversitäten-Kabinett möchte kein normal denkendes und fühlendes Wesen leben.“ Wer sich die Bewertungen durchliest, hat fast den Eindruck, als handele es sich hier ausschließlich um Reden des bayerischen Ministerpräsidentin Markus Söder am politischen Aschermittwoch. Und als gehe es eigentlich nicht um eine Star Wars-Serie, sondern um eine queere Fetischparty im Kitkat-Club in Berlin. 

„The Acolyte“ hat einen diversen Cast – na und?  

Ok, die Hauptdarstellerin von „The Acolyte“ ist eine schwarze Frau, die für sich das Pronomen „they/them“ nutzt. Aber was hat das mit der Qualität der Serie zu tun? Was also unterscheidet ihre Besetzung von der Entscheidung, Mark Hamill oder Hayden Christensen für die ursprünglichen Filme zu casten? Das Recht darauf, durchschnittlich zu performen ist nicht nur weißen Männern vorbehalten. Besonders absurd ist die Aufregung um Folge drei. Dort zeigt uns „The Acolyte“, wie die beiden Schwestern in einer Art Hexen-Kult aufgewachsen sind. Dieser Kult wird dann von Jedi aufgesucht haben, die die machtsensitiven Schwestern von ihrer Familie trennen und zu Jedi-Padawanen ausbilden wollen. Star-Wars-Nerds hat diese Folge jedoch nicht nur wegen dem lesbischen Kult in helle Aufregung versetzt: Die Hexen haben es scheinbar fertiggebracht, nur mit Hilfe der Macht Kinder zu zeugen und so eine Art Matriarchat aufrechtzuerhalten. Eine Gesellschaft ohne Männer, die queer ist und ein bisschen LGBTQ ins Star-Wars Universum bringt. 

Warum die Fans sich am queeren Hexen-Kult stören 

Luke, ich bin der Auserwählte!

Was die Kritiker daran aber besonders stört, ist, dass „The Acolyte“ die ursprüngliche Star-Wars-Saga mit dieser Geschichte wohl untergraben soll. Denn dass allein mit Hilfe der Macht ein Kind gezeugt werden konnte, war bislang nur dem Auserwählten der Hauptgeschichte vorbehalten: Weltraum-Jesus Anakin Skywalker. „The Acolyte“ würde seine Vaterlosigkeit trivialisieren, kritisieren diejenigen, die die Serie unerträglich finden. 

Vergessen wird bei all dem Kulturkampf, dass es sich bei Star Wars um Fantasy handelt. Was hat so eine Galaxis überhaupt mit der echten Welt zu tun? Warum soll es in dieser Welt saxophonspielende Aliens, Lichtschwerter und Weltraumzauberer geben dürfen aber keine lesbischen Hexen? Ok, ganz geschickt war diese Story nicht erdacht. Gerade, weil Rechtspopulisten ständig erzählen, dass Wokeness alles verbieten will, sollte man nicht den Eindruck erwecken, dass lesbische Hexen die geliebte Star Wars-Geschichte auf den Kopf stellen. Andererseits: Warum kann es nicht auch andere Auserwählte geben? Vor allem in einer Welt, in der Raumschiffe nur kurz den Hyperraumantrieb anwerfen müssen, um von Planeten zu Planeten zu reisen? 

Wie man eigentlich über „The Acolyte“ sprechen könnte 

Nicht falsch verstehen: Das heißt nicht, dass „The Acolyte“ deswegen eine gelungene Serie ist. Fans von hölzernen Dialogen und laienhaftem Schauspiel kommen bei „The Acolyte“ genau wie in allen anderen Star Wars Film- und Serienprodukten wieder voll auf ihre Kosten. Einige Szenen machen der legendären Anakin Skywalker-Rede in Sachen Cringeness durchaus Konkurrenz. Der, in der er Padme seine unsterbliche Liebe gestand. Und erklärte, dass er Sand nicht ausstehen kann, weil dieser „grob, rau und irritierend“ sei. 

„The Acolyte“ entwickelt Star Wars auch weiter 

Mal abgesehen davon, dass „The Acolyte“ keine filmische Glanzleistung geworden ist, entwickelt die Serie das Star Wars-Universum darüber hinaus aber auch weiter. Star Wars Schöpfer George Lucas hat selbst erklärt, dass seine ursprünglichen Filme eigentlich für 12-Jährige erdacht waren. Klare Trennlinien zwischen Gut und Böse. Da die strahlenden Jedi, dort die machthungrigen Sith. Seine Filme sollten bei der moralischen Entwicklung helfen, Zuschauern Spaß machen und einen klaren Kompass präsentieren. In „The Acolyte“ sehen wir nun aber Grautöne. Die Serie setzt sich durchaus kritisch mit dem Jedi-Orden auseinander. Sie deutet an, dass auch die Guten manchmal Böses tun können. Zum Beispiel, wenn sie Familien auseinanderreißen, um die Kinder zu Padawanen zu machen. Das ist auch im Sinne der Original-Filme logisch. Denn dass die Jedi die Liebe zwischen Anakin und Padme nicht zugelassen haben, war auch in den Prequels schon ein wesentlicher Grund für seine Entwicklung zu Darth Vader. Diese Grautöne werden in „The Acolyte“ so nochmal fortgeschrieben. Unterm Strich steht so eine Serie, die als Unterhaltungskost weitaus verträglicher ist als ein Abendessen im wahrscheinlich schlechtesten Restaurants Deutschlands.