10. April 1908 Zacharias Lewala löst Diamantenfieber aus
Erst sind es nur ein paar Steinbrocken. Dann Diamanten… und dann wird es eine ganze Stadt, mitten in der Wüste. geblieben ist vom Luxus nichts: durch die Reste der Stadt pfeift heute der Wind. Autorin: Birgit Magiera
10. April
Freitag, 10. April 2015
Autor(in): Birgit Magiera
Sprecher(in): Andreas Wimberger
Illustration: Angela Smets
Redaktion: Frank Halbach
Es ist auf den Tag genau datierbar, wann der Wahnsinn seinen Anfang nahm, - der Rausch, - das Fieber: am 10. April 1908. An dem Tag macht Zacharias Lewala die ihm aufgetragene Arbeit in der gottverlassensten Gegend der Welt, mitten im heißen Nichts: als Arbeiter der Eisenbahngesellschaft in Deutsch-Südwestafrika soll er die Gleise durch die Wüste Namib von Sandverwehungen freihalten, auf einer Strecke von 20 Kilometern. Ein aussichtsloses Unterfangen.
Aber die Zugwaggons müssen rollen, - von Lüderitz an der kargen Atlantikküste bis nach Keetmannshoop und Windhuk, ins Landesinnere: Soldaten und Waffennachschub liefern, für den Kampf gegen aufständische Herero und Nama. So leicht lässt sich der deutsche Kaiser seine Kolonie nicht wegnehmen. Deshalb muss Zacharias Lewala Sand schaufeln, mitten in der Wüste. Sein Vorgesetzter ist August Stauch aus Thüringen. Der Bahnmeister ist an Geologie interessiert. Für ihn soll Zacharias nach besonderen Steinen Ausschau halten.
Eine Handvoll Steine
Am 10. April 1908 sieht er neben den Schienen ein paar interessante Brocken -
er klaubt sie aus dem Sand und bringt sie seinem Chef. Der zeigt die Steine einem Freund und Bergbauingenieur und bekommt seine Vermutung bestätigt. Diamanten. Der Bahnmeister und sein Freund schweigen, sichern sich einen Claim von 75 Quadratkilometern in dem Fundgebiet mitten in der Wüste und werden reich. Das Diamantenfieber ist ansteckend und bald darauf erklärt das deutsche Reichskolonialamt das Gebiet rund um die Lüderitzbucht bis weit ins Landesinnere hinein zum Diamantensperrgebiet, eine trockene Ödnis, größer als Franken. Die Sucher werden streng kontrolliert.
Diamantenfieber
Wo der Gleisarbeiter Zacharias Lewala die ersten Steine fand, entsteht die Diamanten-Siedlung Kolmannskuppe, für kurze Zeit ist sie die reichste Stadt Afrikas. Mitten im lebensfeindlichen Nichts gibt es eine Eisfabrik und das erste Krankenhaus mit Röntgenstation, Ballsaal, Schwimmbad und Kegelbahn, alles da, nur kein Trinkwasser. Das wird aus dem tausend Kilometer entfernten Kapstadt herangekarrt, so wie der Champagner. Für ein paar Jahre erlebt Deutsch-Südwest, wie Namibia damals hieß, einen Diamantenrausch. Die Steine, die reinsten und wertvollsten der Welt, sind ein Geschenk des Flusses Oranje, der über Jahrmillionen Sand und Geröll aus dem Landesinneren in den Südatlantik gespült hat. Meeresströmung und Wind wiederum haben den Sand zurück an Land gebracht und zu riesigen Dünen entlang der Küste geformt - die Wüste Namib.
Als Zugabe die kostbaren Steine, die man nur aufzusammeln brauchte.
Zacharias Lewala bekam für seine Steine einen anerkennenden Klopfer auf die Schulter. Sein geologisch interessierter Chef, der Bahnmeister August Stauch kehrte verarmt ins heimatliche Thüringen zurück. Er hatte während der Weltwirtschaftskrise in den 20er Jahren sein gesamtes Diamantenvermögen verloren. Das Diamanten-Sperrgebiet ist mittlerweile Nationalpark und Kollmannskuppe, einst Luxus-Oase inmitten der Wüste, eine Geisterstadt,
durch deren Ruinen die Sandstürme fegen.