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2010 Glocken läuten die Weihnacht ein

Glocken erzählen Geschichte - nicht selten zurück über Jahrhunderte. Im glücklichen Fall begleiten sie den Gleichlauf der Zeit, laden zu den Jahresfesten ein und geben dem Alltag seinen Rhythmus. Glocken und Glöckchen schallen von überall her.

Stand: 24.12.2010 | Archiv

Zwölfuhrläuten: Weihnachten 2010

Sie ertönen von Kathedralen oder über Almweiden, aus ehrwürdigen Münstertürmen und an der Haustür, herab von der mächtigen Domkirche St. Maria und St. Stephan in Speyer oder vom Spielerker am Münchner Rathaus. Das Reich des Glockenklanges grenzt an den Himmelsrand, es gehört aber auch der Pausenhof dazu und das Börsenparkett, die Hotelrezeption oder der Fahrradlenker. Und nicht zu vergessen, seit es Radio gibt, sind Glocken – fast möchte man sagen, natürlich - auch dort zu hören.

Die Tradition der Glocken im Bayerischen Rundfunk

Im Bayerischen Rundfunk wird eine der traditionsreichsten Glockensendungen hoch gehalten wie am ersten Tag. Seit 24. Dezember 1949 – für die Medienwelt also eine halbe Ewigkeit - läuten am Heiligen Abend Glocken die Weihnacht ein.

In diesem Jahr läuten die deutschen Kaiserdome

Geblieben ist auch die Intension: Ihre erzenen Stimmen sollen an die Botschaft dieser Nacht erinnern: Friede den Menschen auf Erden. Für viele Familien ist die Sendung zur Tradition geworden und gehört zum Heiligen Abend wie der Christbaum oder der Mettengang. Wenn - wie heuer - die Glocken deutscher Kaiserdome läuten, von Speyer, Worms, Mainz, von Aachen, Frankfurt, Magdeburg und Bamberg, dann wird dem Hellhörigen vielleicht manche Geschichtsstunde, manch lang vergessenes Bild vor dem inneren Auge aufsteigen. Denn wann immer dem Abendland große Stunden schlugen, der Glocken festlicher Klang begleitete sie – wie ihre Trauerklage die dunklen. So mächtig Glocken tönen, sie sind nach unserem Gemüt gestimmt: Denn aus ihrem Klang hört der freudig bewegte Mensch vor allem die Dur-Akkorde heraus, ein Trauriger aber das Moll.

Die Kaiserdome: 12-Uhr-Läuten an Hl. Abend

Speyer

Der Salier Kaiser Konrad II. legte um 1030 den Grundstein für das gewaltige Bauwerk. 1689 im Pfälzischen Erbfolgekrieg wurde der Dom beinahe zerstört. Dem bis dahin beispiellosen Raub- und Verwüstungsfeldzug Ludwig XVI. fielen nicht nur Maulbronn, Mannheim oder Pforzheim, nicht nur das Heidelberger und viele andere Schlösser, Burgen, Städte und Klöster zum Opfer - es ging auch der Speyrer Kaiserdom in Flammen auf. Gut 100 Jahre später, in den Revolutionskriegen, wurde er völlig verwüstet und Napoleon ließ ihn als Viehstall und Heumagazin nutzen.1806 sollte dieses Wunderwerk der Baukunst - Reinhold Schneider hat die Krypta den erhabensten Bau auf deutscher Erde genannt - ganz abgerissen und als Steinbruch verwendet werden. Doch das konnte der Bischof von Mainz gerade noch verhindern. Unter Bayerns König Max I. begann der Wiederaufbau.

Worms

Der Dom St. Peter zu Worms teilte mit Speyer das Schicksal des Jahres 1689. Eine Bronzetafel am Domplatz erinnert an die Geschehnisse. Im siebten Jahrhundert auf den Grundmauern des römischen Forums begonnen und ab dem 11. Jahrhundert unter Bischof Burchard in den heutigen Dimensionen gebaut, wirkt er steil und schlank und gilt mit seinen Rundtürmen als bedeutendstes Bauwerk der Wormser Romanik. Neben dem Nibelungenlied verbinden sich mit Worms bedeutsame kirchenpolitische Ereignisse: das berühmte Konkordat von 1122, mit dem das mittelalterliche Ringen zwischen Kaiser und Papst, zwischen weltlicher und geistiger Macht - vorläufig - beigelegt wurde und der Reichstag von 1521. Zwar hat Martin Luther damals Kaiser Karl V. gegenüber sein viel zitiertes "Hier stehe ich, ich kann nicht anders", gar nicht gesagt, seine Thesen aber kühn verteidigt und damit einen der entscheidenden Schritte der Reformation getan.

Aachen

Die Dome von Mainz und Aachen haben beide eine über tausendjährige Geschichte. Aachen wurde zur Kaiserkirche par excellence. Karl der Große ließ Ende des 8. Jahrhunderts den karolingischen Zentralbau errichten. Die Baugestalt hat sich im Lauf der Jahrhunderte aber stark verändert. Besonders im 15. Jahrhundert durch die angefügten Kapellen, die sich kranzförmig um den Zentralbau legen. Auch die gläserne Chorhalle stammt aus dieser Zeit. Der einfache aus Marmorplatten zusammengebaute Thron des Kaisers und der überaus prächtige Goldschrein mit seinen Gebeinen zählten zu den bedeutsamsten Reliquien des heiligen römischen Reiches.

Mainz

Er ist das Gesicht von Mainz und schrieb mit der Stadt Geschichte. Willigis, Erzbischof und Erzkanzler des deutschen Reiches, legte 975 den Grundstein für dieses gewaltige Bauwerk. Ein Brand 1081 zerstörte alles. Im Lauf der Jahrhunderte sollte das Gotteshaus insgesamt siebenmal ein Opfer der Flammen werden. Der Mainzer Dom, so wie wir ihn heute kennen, ist eine dreischiffige romanische Pfeilerbasilika. Im Lauf der Jahrhunderte kamen Anbauten und Ausschmückungen unterschiedlichster Kunstepochen hinzu, wie die angebauten gotischen Seitenkapellen, die barocken Turmhelme der Westtürme oder der neuromanische achteckige Mittelturm aus dem 19. Jahrhundert. Ein lebendiges, stetig wachsendes Gotteshaus eben. Eine Baustelle über Jahrhunderte, an der alle Generationen beteiligt sind.

Frankfurt

Der Kaiserdom in Frankfurt ist ein zentraler Ort west- und mitteleuropäischer Geschichte. Der Dom St. Bartholomäus gründet auf den Resten einer kleinen merowingischen Kapelle. Sie muss vor 680 entstanden sein. Seit 1356 ist das Gotteshaus Wahlort der deutschen Könige und ab 1562 Krönungsort der römischen Kaiser. Um 1550 erreichte der Dom sein heutiges Ausmaß. Ein Brand im Jahre 1867 zerstörte den Dom mit seinen historischen Glocken. Das Gotteshaus wurde wieder aufgebaut und restauriert und erhielt sein heutiges Aussehen. Das neunstimmige Geläute des Domes wurde von Hermann Große in Dresden 1877 gegossen. Es überstand die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und bekam 2005 zwei Dachreiterglocken dazu.

Magdeburg

St. Mauritius und Katharina zu Magdeburg wird zu den Kaiserdomen gezählt, weil Otto I. ihn gegründet und auch zu seiner Grablege bestimmt hat. 61 Jahre alt, starb er im Mai 973 in Memleben - gelegen zwischen Halle und Erfurt - an einem Fieber und wurde in einem 30-tägigen prunkvollen Leichenkondukt nach Magdeburg überführt. Otto gehört zu den herausragenden Herrschergestalten des Mittelalters, hatte 37 Jahre als deutscher König - elf davon als Kaiser des heiligen römischen Reiches - regiert. In der berühmten Schlacht auf dem Lechfeld schlug er die Ungarn. Er galt als Einiger des Reiches und erhielt bereits im 12. Jahrhundert von dem Geschichtsschreiber Otto von Freising den Beinamen "der Große". Sein schlichter Marmorsarkophag ruht - geschmückt mit Blumen und einem mit Gold gesäumten, über Kreuz gelegten Purpurband - im Chor.

Bamberg

Unvergleichlich prächtig steht das Kaisergrab Heinrichs II. und seiner Gemahlin Kunigunde von Luxemburg im östlichen Mittelschiff des Bamberger Doms. Tilman Riemenschneider und seine Steinmetzgehilfen haben dieses marmorne Hochgrab in 14-jähriger Arbeit geschaffen. Die großartigen Reliefs an den Seitenwänden zeigen Legenden aus dem Leben dieses einzigen heilig gesprochenen Kaiserpaars, das in liegenden Figuren auf der monumentalen Deckplatte dargestellt ist. Heinrich II. hatte 1004 den Grundstein zum Dom gelegt und drei Jahre später das Bistum Bamberg gegründet. Das grandiose Geläute der zwei Osttürme besteht aus zehn Glocken. Acht befinden sich im Süd-, die zwei legendären Kaiserglocken dagegen im Nordostturm. Ob nun die aus dem 12. Jahrhundert stammende Kunigundenglocke oder die etwa 130 Jahre jüngere Heinrichsglocke die wohlklingendere ist, darüber soll der Legende nach das Kaiserpaar selbst schon gestritten haben.

Begleiter des Lebens

Wie klingen dann Weihnachtsglocken? Viele Menschen stimmt ihr weihevolles Läuten durch die Winternacht in Freude und Dankbarkeit. Doch auch mit manch Betrübten werden sie klagen, an Leid rühren, an Trauer und Einsamkeit. Glocken - komme ihr heller Klang von einer Dorfkirche, einer Wallfahrtskapelle her oder aus dem Glockenstuhl des Aachener Doms - Glocken begleiten "des Lebens wechselvolles Spiel". Friedrich Schiller hat dies in seinem berühmten Lied so großartig dargetan. Und davon, was "unten tief dem Erden Sohne, das wechselnde Verhängnis bringt", können wie keine anderen die Glocken der Gotteshäuser in den mittelalterlichen Machtzentren erzählen, der sogenannten Kaiserdome.

Quelle: Georg Impler


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