Jennerwein hat etwas gemeinsam mit einer anderen Lieblingsfigur vieler Bayern: dem Märchenkönig Ludwig II. Die genauen Todesumstände beider sind bis heute mysteriös geblieben. Ludwig sei gar nicht ertrunken, sondern von hinten erschossen worden, wollen manche wissen. Und schon haben wir das parallele Schicksal. Wie überall, liebt man auch in Bayern seine tragischen Helden. Der geheimnisumwitterte und frühe Tod des Wildschützen, seine verwegene Gestalt, die Aufsässigkeit gegen repressive Normen und schließlich das Scheitern an der Staatsmacht - all das schrie geradezu nach Legendenbildung.

Jennerwein-Kollegen: Kneißl und Hiasl

Mathias Kneißl

So war es kein Wunder, dass nicht lange nach dem Tod des "Girgl von Schliers" das Jennerwein-Lied zirkulierte. Auch andere bayerische Wilderer und Gesetzesbrecher wie Matthäus Klostermair ("Bayerischer Hiasl", 1736-1771) oder Mathias Kneißl ("Räuber Kneißl", 1875-1902) stiegen in den Rang verklärter Helden auf, deren Taten man besungen hat. Dieses Phänomen war aber schon damals nicht neu. Es existierte spätestens seit dem Archetyp des "Rächers der Unterdrückten": Robin Hood.

Und dem folgten fast überall geschätzte und gefürchtete Berufskollegen. So verehrte und verfolgte man im Italien des 17. und 18. Jahrhunderts die briganti. In Spanien waren es die bandoleros, die man rühmte, es von den Reichen genommen und es den Armen gegeben zu haben.

Romantische Figur des 19. Jahrhunderts

Zu Helden der Volkskultur wurden solche Figuren ab dem romantisierenden 19. Jahrhundert. Volksmund, Bauerntheater, Illustriertengeschichten, Romane oder Genremalerei stilisierten dabei auch den Wildschütz - zumeist in trivialer Form. Schauplatz der Geschichten und Legenden waren vor allem Alpendörfer, deren grandiose Bergkulisse Dramen von beinahe antiker Leidenschaft entstehen ließ: Freund erschießt Freund, der Vater den Sohn, der Bruder den Bruder.