Kultur


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Herbert Achternbusch "Kunst kommt von Kontern"

"Ich habe alles gemacht, was ich wollte." Herbert Achternbusch ist Filmemacher, Maler, Bildhauer, Dramatiker, Schriftsteller, Schauspieler - und mit Stolz bayerischer Anarchist. Ein unangepasster Wanderer zwischen den Künsten.

Stand: 01.04.2019 | Archiv

Illustration: Herbert Achternbusch und ein Zitat von ihm | Bild: BR, picture-alliance/dpa, Montage: BR / Christian Sonnberger

*23. November 1938 in München

Ein provozierender Einzelgänger und Außenseiter des etablierten Kunstbetriebs ist er - und stolz darauf. Als das Filmfest München zu seinem 70. Geburtstag eine Retrospektive widmet, schimpft er, dass sei "eine Schande und Ohrfeige". Das heiße ja, dass sich "in all den Jahren keiner meine Filme angeschaut hat".

Wagen wir dennoch eine Rückschau auf sein Werk. 28 Filme sind es geworden, die der Avantgardist und Provokateur geschaffen hat. Dazu rund 40 Prosa-Veröffentlichungen, 26 Theaterstücke, unzählige Kunstwerke wie Radierungen, großformatige Bilder oder Skulpturen. Pausenlos produzierte er und stand dabei - wie die FAZ schrieb - "programmatisch mit der hohen Kunst auf Kriegsfuß".

Achternbusch von A bis Z

Als Sprücheklopfer ist Herbert Achternbusch ein begnadeter Steinmetz. Bonmots, Beleidigungen, Wahrheiten und Flachwitze - eine kleine Auswahl von A wie Annamirl bis Z wie Zuflucht.

A

A wie Annamirl
"Das war 'meine' Schauspielerin. Das ist das einzige, was ich in meinem Leben erreicht habe."

A wie Angst
"So ein kleines Volk am Nordalpenrand hat Angst vor anderen und vor allem aber vor sich selber. Bei den Österreichern ist es ja noch schlimmer. Die sind ja völlig vertrottelt in den Bergen."

B

B wie Bayern
"In Bayern möchte ich nicht einmal gestorben sein."

C

C wie CSU
"In Bayern gibt es 60 Prozent Anarchisten und die wählen alle die CSU."

D

D wie Denken
"Ich mag ganz gerne das denken, was ich immer schon gedacht habe, weil es ist ja eh immer anders. Die Zeit, das ist ja eine Spirale in sich."

E

E wie Eltern
"Mein Vater war a Sau und meine Mutter a Nazi."

F

F wie Fernsehen
"Du glaubst gar nicht, wie diese Fernsehsäftln sich identifizieren mit einer dumpfen Mehrheit. Das können sie inzwischen so gut, dass sie sich selber glauben, wenn sie reden."

G

G wie Gewissen
"Schlechtes Gewissen ist ein Punkt, den ich punktuell nicht kenne, sondern nur im Allgemeinen. Aber ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich lebe."

G wie Griechische Mythologie
"Die alten Griechen mag ich, die sind so pessimistisch."

H

H wie Hochdeutsch
"Wenn man bayerische Sätze ins Hochdeutsche übersetzt, dann klingen sie viel gefährlicher."

J

J wie Judenvernichtung
"Da red ich mit meinem Vater über die Judenvernichtung. Da frag ich, warum redet da keiner drüber. Da lacht er und sagt: 'Die Deutschen reden doch nicht darüber, was sie anstellen. Die warten nur auf die Zeit, bis sie wieder damit angeben können.' Das ist ein durch und durch feiges Volk für mich."

K

K wie katholisch
"Ich war katholischer als meine Oma, weil ich einen Rückhalt gesucht habe. Als Schüler habe ich geglaubt. Das war Ersatz für alles - für eine gewisse Zeit. Dann hast nicht mehr wichsen dürfen, das war ja langweilig. Das ist ja lebensfeindlich. Da war es vorbei."

K wie krank
"Ich habe immer Filme gemacht, weil krank werden wollte ich unter gar keinen Umständen. Wenn du krank bist, dann bist du ein hilfloser Depp. Ein hilfloser Depp war ich als Filmemacher auch, aber ich habe was gesagt und ich habe was gezeigt."

L

L wie Laien
"Ich habe nur mit Laien gedreht, außer mit dem Bierbichler. Der war Profi, und das merkt man. Das ist so eine gewisse gelangweilte Spielweise, die sie sich aneignen, um im Fernsehen aufzufallen, aber nicht zu sehr aufzufallen."

L wie Langeweile
"Ich langweile mich gerne. Das finde ich schön. Aber das muss man alleine machen, das kann man den anderen nicht zumuten."

M

M wie Malen
"Ich habe immer schon gemalt. Meine Mutter hat auch immer gern gemalt. Von der habe ich das Talent."

M wie Mist
"Ich wollte nur meinen Mist machen. Aber da habe ich mir auch nicht reinreden lassen."

N

N wie Natur
"Meine Filme waren ein Naturwunder."

S

S wie Skandal
"Dreimal haben's mir ins Kino geschissen. Da sieht man, dass die feinen Leute oft die größten Drecksäue sind. Dabei war 'Das Gespenst' der beste Christus-Film, den es gab. Was der Scorsese und der Mel Gibson zuletzt gemacht haben, ist ja richtig feig dagegen."

T

T wie Theater
"Ich mochte das Theater nie, ich hab's nur gemacht, um Geld für die Filme zu haben."

T wie Tod
"Der Tod und das Sterben ist die beste Quelle für die Fantasie."

V

V wie Vater
"Den hab ich immer gemocht, aber er war nie da. Von meinem Vater konnte ich nur zwei Dinge erwarten: entweder in den Tierpark gehen oder wieder in den Tierpark gehen."

W

W wie Weinen
"Ich kann nicht weinen. Ich kann nur saublöd lachen."

W wie Wirtshaus
"Einen Abend ohne Wirtshaus finde ich gottlos!"

Z

Z wie Zuflucht
"Der Stammtisch war ein Zufluchtsort in der Zeit, in der wir keinen Film gemacht haben."

Hassliebe zur Heimat

"Kunst kommt nicht von Können, sondern von Kontern." Und wer es sich leicht macht, der nennt Herbert Achternbusch einen "Querdenker", ein "enfant terrible" oder ein "bayerisches Urviech". Leicht zu fassen ist das Multitalent jedenfalls nicht. Bayern ist seine Heimat - und er ist in großer Hassliebe mit dem Land verbunden: "Diese Gegend hat mich kaputt gemacht und ich bleibe so lang, bis man es ihr anmerkt." Der Lebensantrieb dieses lange geächteten Künstlers nährt sich aus dem Kontra. Gegen Konventionen und Autoritäten, wider den Zeitgeist. Nicht umsonst sehen ihn viele in der Nachfolge Karl Valentins.

Ausgewählte Bücher von Herbert Achternbusch

1977

Herbert Achternbusch ist ein Meister der sinnstiftenden Groteske und der absurden Komödie. Er kompiliert gern seine verschiedenartigsten Texte zu neuen Einheiten. Der Band "Land in Sicht", den er einen Roman, einen Entwicklungsroman nennt ("ein Kapitel, ein Stück des Weges, den ich gehe"), versammelt Prosastücke und Dialogbücher: "Die Atlantikschwimmer", "Land in Sicht", "Das Mumienherz", "Neues von Ambach", "Blutentnahme", "Bierkampf" und "Es lebe der Partisan".

1979

Band 3 der neunbändigen Textsammlung "Du hast keine Chance, aber nutze sie" enthält neben der Geschichte der lebensmüden Freunde, die nur im Tierpark und im Gasthaus Trost finden und ihrer Heimat entfliehen, indem sie den Atlantik durchschwimmen, unter anderen den Roman "Der Tag wird kommen", der Bericht eines Überlebenden "Die Stunde des Todes", den Prosatext "Ella" und das Filmskript über den bayerischen Wallfahrtsort für Biertrinker ("Das Andechser Gefühl").

1983

Ein Doppelporträt: der Dichter als Wilderer und Bayer. Er flüchtet aus Bayern - "dieses dunkle Land der Schweinemast und Autoindustrie" - nach Grönland. Das Wildern macht keinen Spaß mehr, die Geliebte betrügt ihn mit dem Jäger. Ein Reporter ist ihm auf den Fersen, und seine Dichtkunst hat ihn im Stich gelassen. Der Film kam bereits 1978 in die Kinos, fünf Jahre später erschien das Buch. Achternbuschs Filmbücher sind eigenständige literarische Textbücher.

1991

In Band 2 der neunbändigen Ausgabe "Du hast keine Chance, aber nutze sie" hat Achternbusch Prosastücke ("Zigarrenverkäufer", "Warum es in München so langweilig ist", "Das Kind ist tot", "Nachruf" und "Der Pfahl") aus den Jahren 1963 bis 1971 in die umfangreiche Titelgeschichte integriert. Im Mittelpunkt der Erzählung steht der "Waldmensch", der sich bei Mietraching versteckt gehalten und ein Manuskript mit dem Titel "Die Alexanderschlacht" hinterlassen hat.


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